Hallo,
den Wiener Leserinnen und Lesern erzähle ich ich nichts Neues, Teile der Stadt wurden zum 2. Mal innerhalb einer Woche wiederum versenkt. Zar gab es in nahezu allen Stadtteilen Gewitter, extrem gingt es aber nur in einem Streifen vom Ring (Karslplatz) über den 4,6,7, 14,15,16,17 Bezirk zu.....
Hier die 24-stündigen Niederschlagsmengen
Hierbei sticht die Station Innere Stadt heraus, die in der Nähe des Karlsplatzes steht. 62,5 Liter pro m² wurden gemessen, der Großteil davon fiel im Zeitraum von etwa 80 Minuten.
Nun der Radarloop:
Man muss schon ganz genau hinschauen um diese kleine, giftige Zelle knapp westlich der Innenstadt zu sehen, die ich über lange Zeit nicht von der Stelle rührte bzw. sich ständig regeneriert. Überhaupt scheint in dem Sumpf an Radarechos ein ziemliches Chaos, was Neubildungen und Zugrichtungen betrifft zu herrschen, die Zellen ziehen wohin sie wollen.
Blitze gab es dabei nicht allzu viele...
Betrachtet man die Vertikalstruktur der Zellen, so fällt auf, dass sie nicht allzu hochreichend sind und die starken Reflektivitäten auf die bodennahen Schichten beschränkt sind. Der Meteorologe zieht daraus den Schluss das kaum Hagel dabei gewesen sein dürfte.
Die 62 Liter am Karlsplatz waren dabei aller Wahrscheinlichkeit nicht das Maximum der Regenfälle. Bildet man eine Radarsumme und gleich diese mit den Stationswerten ab, so kommt man in etwa zu einer Verteilung wie angehängt und der Schätzung, dass lokal auch bis 100 mm gefallen sein können, etwa rund um den Westbahnhof:
In diesem schwarzen Bereich wurde Ecken Lerchenfelderstrasse/Kaiserstrasse folgendes Video aufgezeichnet...
Die Wucht der Wassermassen reißt sogar Passanten mit...
Die gewittrig durchsetze Okklusionsfront brachte auch von Wien westwärts teilweise erhebliche Niederschläge...
Analytisch gesehen ging es bei dem Wiener Gewitter wieder um eine langsam ziehende bzw. stehende Multizelle, wobei hier wiederum die Grenzen der Vorhersagbarkeit für Mensch und Modell überschritten wurden. Wobei im Nachhinein vielleicht der Umstand des fehlendes Hagels doch eine entscheidende Rolle bei der Beantwortung der Frage nach dem Missverhältnis zwischen Reflektivitäten und resultierenden Niederschlägen spielen kann.
Hochreichende Zellen enthalten immer mehr oder weniger viel großen Hagel. Diese Körner haben bei vergleichsweise geringer Anzahl eine höhere Reflektivität als viele kleine Körner, die im oberen Bereich der Wienerin vorhanden waren ... und auch eine höhere Reflektivität als Wassertropfen. Fehlen die großen Körner, wie in diesem Fall, muss eine vergleichsweise hohe Refleketivität durch Unmengen an Wassertropfen zustande kommen, was die aufgezeichneten und abgeschätzten Niederschlagsmengen zumindest im Ansatz erklären würde.
Damit es mit dem Wasser noch nicht vorbei, am Wochenende blüht dem Osten und der östlichen Alpennordseite wieder ein gehöriger Nachschub von oben ... dazu wirds kalt und stürmisch, massiver Nueschneezuwachs etwa in den Niederösterreichischen Voralpen oberhalb von 1100 bis 1300m ist ebenfalls zu erwarten .. da kann man einfach nur mehr staunen ....
Lg
Manfred
Vielen Dank für Deine Analyse - hatte schon darauf spekuliert, dass Du darauf eingehst ;) Das gestrige Sounding sah auch nicht nach Sturzfluten aus, lediglich rund 20 mm PWAT und nicht allzuviel Labilität (-> kein Hagel), aber die INCA-Windanalyse zeigt eine Konvergenz für rund 2h genau über Wien.
AntwortenLöschenEZ und GFS 00z rechnen übrigens nur noch wenig Niederschlag am Wochenende, im Verhältnis zu den vergangenen Läufen. Der EFI zeigt lediglich im östlichen Niederösterreich noch Werte bis 0,9 beim Niederschlag (also außergewöhnlich hohe Mengen), und die EPS-Wahrscheinlichkeiten zeigen > 20 mm noch am Ehesten in Niederösterreich,Wien und Nordburgenland wahrscheinlich, jedoch nur von Sonntag auf Montag.
GFS 6z rechnet nun wieder deutlich mehr in Niederösterreich, insgesamt sind die hohen Spitzen > 150mm aber flächendeckend, also auch in den östl. Nachbarländern gekappt worden.
Auffallend allerdings eine sekundäre Spitze zwischen Allgäu und Salzkammergut mit 60-80mm (Aufgleiten + Nordstau), und in der Mittelfrist mit dem Osteuropatrog weitere Niederschläge von Norden.
Auch EZ 00z lässt zur Wochenmitte mit der herumgeholten Warmluft neue Niederschläge aufkommen.
Bei EZ 00z bewegen sich die Standardabweichungen in 500 hPa bis t+156h bei 40-45 gpdm, bei GFS im selben Zeitraum über 50 gpdm. Generell sicher scheint aber die Lage des Skandinavienhochs und Osteuropatiefs (großräumig gesehen), nur die Zyklonalität über Mitteleuropa scheint noch nicht entschieden.
Der Erhaltungsneigung folgend tendiere ich aber (leider) zur zyklonaleren Variante...
Gruß Felix
Danke für die tollen Auskünfte eine Frage hätte ich aber wo gibt es so genaue Regenradar-bilder??
AntwortenLöschenlg josef
Hallo Manfred,
AntwortenLöschenDanke für deine schöne Analyse!
Deine Schätzung der Regenmengen dürfte aber zu hoch sein. Ich habe gerade ein wenig die 1x1-km-Gitterpunkte unserer INCA-Niederschlagsanalysen zerpflückt, und da gab es gestern (12-18 UTC) ein Maximum von 61 mm bei der Station City und ein zweites Maximum von 63 mm knapp nördlich der Jubiläumswarte. Dazwischen einen schmalen Streifen mit 40 - 50 mm. Daraus, dass sich die beiden Maxima so eng an die Orte der Stationen schmiegen, kann man natürlich ableiten, dass die Radarwerte den Niederschlag unterschätzt haben (weil einerseits Schwechat selber beregnet war und andererseits, wie du schon schriebst, ein erheblicher Teil der Niederschlagsbildung auch noch in tiefen Schichten stattfand) und daher in einer kombinierten Analyse von den Stationsmessungen nach oben korrigiert werden mussten. Meinetwegen sollen also in dem gesamten Streifen zwischen City und J.-Warte rund 60 mm gefallen sein, aber Hinweise auf deutlich darüber hinaus gehende Werte gibt es nicht.
Dass die Überschwemmungen rund um die Lerchenfelder Straße am ärgsten waren, liegt m.E. eher am Ottakringer Bach, der nahe der Jubiläumswarte entspringt und beim Übertritt ins Stadtgebiet bald eingefasst und in die Kanalisation gezwungen wird. Ohne die Wege des Wassers unter dem Wiener Asphalt zu kennen, würde es mich nicht wundern, wenn es gestern entlang der Thaliastraße und Lerchenfelder Straße wieder aus den Kanalgittern emporgequollen ist. Auch das Foto der Wasserfontäne am Lerchenfelder Gürtel im ORF-Artikel spricht dafür. Die lokalen Niederschläge unmittelbar am Ort des Geschehens waren dann vermutlich nur noch ein kleinerer Beitrag, das vom Gewitter perfekt "getroffene" Einzugsgebiet hat's gemacht.
Auch der Rosenbach (der ebenfalls unterhalb der Jubiläumswarte entspringt, aber nach Süden entwässert) ist gestern übergegangen und hat mehrere Straßenzüge überschwemmt, darunter auch so wichtige wie die Linzer Straße und die Bergmillergasse. Dort hat es gestern Abend auch noch ziemlich wüst ausgesehen.
Ich würde die gestrigen Gewitter nach meinen eigenen Beobachtungen auch nicht für Multizellen, sondern für Einzelzellen halten. Natürlich, sobald die große Schütte begonnen hat, war von den Wolken nichts mehr zu sehen, aber die zwei bis drei Stunden vorher (es hat an der Konvergenzlinie ja schon seit 14 Uhr Lokalzeit "gebrandelt") waren keinerlei Anzeichen einer Organisation erkennbar. Und die Lebensdauer der individuellen Gewitterzellen war ja nur relativ kurz. Organisatorisch waren jene vom Montag weit überlegen!
viele Grüße,
Georg
Hallo Georg,
AntwortenLöschen2 Dinge .. die Multizelle für sich (und für mich :-) ist eine recht unorganisierte Struktur,, die einfach das enge nebeneinander von Aufwinden beschreibt... es ist die nach der Einzelzelle nächsthöhere Organisation, aber immer noch recht lose und typisch für die vergleichweise geringe Labilität und geringe Scherung
Was die Analysen angeht, hier kommt man, wie du weißt, je nach angewendetem Verfahren zur Radarkalibrierung zu recht unterschiedlichen Ergebnissen. (oft mit Abweichungen in der Grössenordnung der Stationsmesswerte) Neue Methoden, und vor allem jede verwendete, werden unter Geowisschenschaftlern und Meteorologen immer recht kontroversiell diskutiert.
Die 100mm schrecken mich von der Grössenordnung her gar nicht, ist über 2 Stunden noch lange nicht oberen Ende der Extremwertverteilung... da war Alberschwende Aug 2005 oder Dortmund Jul. 2008 noch ganz anderes möglich. Es würde mich wundern, wenn die Maxima wirklich an den 2 verwendeten Stationen aufgetreten wären.
lg
Manfred
@ Josef... leider sind die Radarbilder in der höchsten Auflösung (c by Austrocontrol) nur zahlenden Kunden der ACG vorbehalten, deswegen kann ich immer nur hinterher ein bisschen was davon posten ...
AntwortenLöschenNachtrag für Georg, wenn ich die Jubi mit 63 einbeziehe, ergibt sich natürlich ein anderes Bild (Ich frag mich eh warum, sagen wir das Unternehmen deines Umfelds, die Daten der Station nicht mehr an uns übermittelt.. muss mal nachfragen ;-). Ich haben nochmal durchrattern lassen, die Zunge mit mehr als 60mm zieht sich jetzt über den gesamten 15. 16.. ein lokales Max mit mehr als 90 bleibt aber ziemlich genau beim WBH.
AntwortenLöschenLg
Manfred
Dacht ich mir aber trotzdem danke !
AntwortenLöschenloggertreff
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