ohne dass ich mit den Kollegen der anderen Wetterdienste in direkte Kommunikation getreten bin, so zeigt der Spiegel aller Wetterberichte vom Sonntag, angefangen von der ZAMG bis hin zum Salburger Lawinenwarndienst, dass so gut wie jeder, der sich professionell mit der Wettervorhersage auseinander setzt, am Montag in der Früh vom Wetter eine ziemlich eiskalte *Gnackwatschen* bekommen hat. (Wobei ich mich dezidiert nicht ausnehme..)
Was ist passiert ?
Vom Großraum Innsbruck bis ins obere steirische Ennstal ist die Schneefallgrenze tweilweise bis 500m gesunken. Besonders arg betroffen war das Gasteinertal. Hier fielen zwischen 20 und 35cm extrem nasser Neuschnee, Schneebruch und Stillstand auf einer der wichtigesten NordSüdbahnverbindungen der Ostalpen waren die Folge.
Hier mal ein paar Stationsdiagramme vom fraglichen Zeitraum
...
Bad Gastein
Krimml
St. Johann im Pongau
Katschberg
Mallnitz
Auf jedem der Digramme der Talstationen sieht man eindrückliches. In Bad Gastein ging der Regen Montag Mitternacht in dichtesten Schneefall über, in Krimml am Montag in der Früh, in St. Johann/Pongau am frühen Vormittag. Der Vergleich mit dem Katschberg auf 1600m zeigt, dass zwischen den Tallagen und der Bergstation so gut wie kein Temperaturunterschied zu sehen ist.
Mallnitz liegt am Südportal des Tauerntunnels, ungefähr so hoch wie Bad Gastein. Bei ebenfalls starken Niederschlägen ging aber hier der Regen nie in Schneefall über.. ein Mysterium ? Eher ein Hinweis darauf, warum es Alpenkammnordseitig so weit runter geschneit hat .... dazu aber später mehr.
Um der Sache auf die Spur zu gehen, hilft der Radiosondenaufstieg von Innsbruck um 5 Uhr am Montag in der Früh:
Zwar sind nicht viele Daten da, die wichtigsten aber doch. Schaut einmal auf die Kurven in etwa 1500m Höhe. Hier machen Temperatur und Taupunkt einen Knick und verlaufen mit annähernd gleichen Werten entlang der 0-Grad Isotherme. Das ist die Schmelzzone des Schneefalls. Die Temperatur steigt nicht über 0 Grad, so lange bis aller Schnee zu schmelzen beginnt. Hier findet also durch den schmelzenden Schnee eine Kühlung der unteren Luftschichten statt. Das Phänomen ist alt bekannt und so genommen kein Wunder.
Wenn man nun davon ausgeht, dass man in einem Tal umrandet von hohen Bergen ist, ist es weiter nicht verwunderlich, dass kaum nennenswerte Windströmungen in die Täler hinein kommen, die Luft bleibt also mehr oder weniger mit schwachem Wind sich selbst überlassen. Gibt es weiter Niederschlag, so kühlt die Talatmosphäre immer weiter und weiter aus, so lange bis die Schneefallgrenze am Talboden ist.
Warum aber nicht in Mallnitz ? Hm. Der Wind :) Schaut man auf das Diagramm von Mallnitz, so sieht man im Gegensatz zu Bad Gastein kräftigen Nordwind vom Tauernkamm herunter (Nordföhn). Der Wind mischt die niederschlagsgekühlte Luft ständig durch und verhindert somit eine zu starke Abkühlung. Nördlich des Alpenhauptkammes lagert aber der dicke Totlufkörper nahezu unbewegt, die Warmluft aus Süden gleitet unbeirrt darüber auf und sorgt noch dazu für teils noch stärkere Niederschlage als im etwas nordföhnigen Süden.
Was sagen nun die Modelle zu diesem Fall ? Hätte man das antizipieren können ?
Die Höhentemperaturen am Montag 00, 06, 09 Uhr UTC:
Im fraglichen Bereich sieht man Höhentemperaturen von etwas unter 0 Grad in 1450m Höhe, was ganz gut zu den Meldungen der Bergstationen in der Höhe passt.
Gehen wir zu den Taltemperaturen um 06 Uhr...
sieht man im Modell Bodenwerte von 2 Grad in Innsbruck (Modellhöhe an der Stelle: 620m), gemessen wurden um 06 UTC 2,2 Grad.... das Salzachtal (Modellhöhe etwa 150m über der wahren Höhe) ist durchgehend im Bereich von 0-1 Grad, während Alpensüdseitig die Täler deutlich wärmer modelliert wurden.
Also.. auch wenn ein feinskaliges Modell den Effekt der Niederschlagskühlung am Sonntag Abend für Montag quantitativ und qualitativ richtig eingeschätzt hat, wer hätte das zu dem Zeitpunkt geglaubt ? Ich sicher nicht.... man hat schon zuviel Irrsinn in den Modellen gesehen.
Jedenfalls, es gibt noch viel zu dem Thema zu sagen, nicht alles hat im Blog Platz, vielleicht entwickelt sich ja eine kleine Diskussion ...
Lg
Manfred
Hallo,
AntwortenLöschendanke für die interessante Erklärung. Das hat mir jetzt doch einiges erklärt. Es war gestern hier in Irdning schon interessant mitzuerleben. Als ich um 07:00 Uhr in die Arbeit gefahren bin hatten wir starken Regen bei ca. 4° und dann um ca. 10 Uhr hats begonnen zu schneien. Aber im Vergleich zum Gasteinertal oder dem Oberen Salzachtal ist so, da bin ich aber froh, nicht wirklich was liegen geblieben...
Lg
Rupert
Gut hast du geschrieben "so gut wie jeder...", sonst wär ich dir jetzt herzlich um den Hals gefallen ;) Vielleicht wird man die Warner in den eigenen Reihen in Zukunft etwas ernster nehmen.
AntwortenLöschenHallo Manfred!
AntwortenLöschenDanke für die schöne Analyse.
Ich muss aber ehrlich gesagt sagen, dass ich nicht ganz so überrascht war als ich die Schneeflocken Montag Morgen in Innsbruck erblickt hab, denn ich finde es bestand schon eine realistische Hoffnung auf zumindest Schneeregen im Tal.
Bei solchen Gegenstromlagen mit Starkniederschlag gab es nämlich öffters solche "Überraschungsschneefälle" bis ins Tal.
Die Ausgangslage am Abend war hier folgende: Die Klatfront hatte die Nordalpen bereits voll erfasst und die Lufttemperatur betrug etwa 6°C in Innsbruck, also in 1500m hatte es noch etwas über 0°C, was gut zu den Modellen passt, wobei es im verlauf der Nacht noch einen Tick kälter werden sollte. Somit lag die Schneefallgrenze zu dieser Zeit etwa bei 1400m. Die Niederschläge (http://imgi.uibk.ac.at/stations/realtime/meteodat_rrsd_day-3to0.gif) sollten ja noch mit etwa gleicher Intensität weitergehen bis etwa Montag Vormittag. Also wieso nicht am Morgen auf paar Schneeflocken hoffen mit der passenden Schmelzkühlung?
Das ganze läss sich ja auch wunderschön für ein typisches Talvolumen ausrechnen, wie Steinacker (1983, Wetter und Leben) getan hat: http://img834.imageshack.us/img834/367/schneef.jpg
Also sind etwa 20mm nötig, um die Schneefallgrenze um 800m absinken zu lassen, welche noch am Abend bis zum Inntal gefehlt haben. Ein Blick auf die RR Messung in Innsbruck (24mm über Nacht) zeigt dass sogar mehr Niederschlag gefallen ist als nach dem Diagramm für Talschneefall nötig gewesen wäre. Vermutlich liegt das daran, dass das Inntal besonders breit ist und somit wohl nicht dem typischen, von Steinacker verwendeten Talmuster entspricht. Da die Starkniederschläge noch am Vormittag angehalten haben, konnte sich sogar reiner Starkschneefall in Innsbruck für einige Stunden etablieren.
Also ist doch alles berechenbar, wenn man nicht in der Hektik irgendwas wichtiges übersieht :)
lg David, der noch auf einen schönen Spätsommer/Frühherbst hofft, mit baldiger Vernichtung der dicken Berg-Schneedecke ;)
Ich muss David Recht geben.
AntwortenLöschenAls ehemaliger Tiroler hätte ich das auch antizipieren müssen, da die Gegenstromlagen nun mal klassisch für Schneefall bis in tiefste Lagen in Nordtirol sind, und die 850er dann nicht so entscheidend sind, wenn sich eine Isothermie einstellt. Ich meine mich entsinnen zu können, dass es im Jahr 1899 Anfang Juli mal in Innsbruck schneite.
Was dann in 9 von 10 Fällen oft nicht passt, ist die Niederschlagsdauer bzw. -menge, knapp 80 mm bei einem Ereignis in Innsbruck sind auch extrem selten, selbst erst einmal erlebt (22/23.8.2005).
Naja, hinterher ist man immer schlauer.
... wobei zu sagen ist, dass Innsbruck vergleichsweise harmlos (gegen das Salzachtal) davon gekommen ist ... Schneeregen mit einer Vorhersage von 15cm-20m Schnee in Tallagen gleichzusetzen, da muss der (Vorhersage)Finger schon sehr locker sitzen.. dass man sich das traut ;) Lg
AntwortenLöschenManfred
20cm natürlich ..
AntwortenLöschenJa eben, in einer Wetterbesprechung auf der Uni kann man sowas eher riskieren.
AntwortenLöschensuper Analyse :D , aber hier wars schon um 15:50 vorbei mit dem NS und da hatte es immer noch 10°C . In der Nacht auf Montag gabs noch kurz was zum befeuchten aber die SFG war nur auf 1800m .
AntwortenLöschenleicht entäuschte Grüße aus dem Westen ;)
Auch in Vorarlberg hats bis 900m geschneit - schon etwas überraschend, da hier diese klassische Gegenstromlage noch nicht vorhanden war.
AntwortenLöschenNaja, aber Gaschurn ist eher eng mit ca. 2500-ern rundherum. Da konnte der Schmelzeffekt wohl hochreichend greifen?
Lg,