Hallo,
im Zuge dieser Reise nach Melbourne hat der JetLag meinen Metabolismus ordentlich durcheinander gebracht, was sich in ausgedehnten Schlafsessions, unterbrochen von kurzen Phasen der Nahrungsaufnahme äußerte. Nach nunmehr 48 Stunden scheine ich aber jetzt so halbwegs an die neue Zeit gewöhnt zu haben... darum heute ein Thema, das für mich wie die Faust aufs Auge passt: Wetter und Fliegen.
Das Flugwetter ist eine eigene Disziplin in der synoptischen, also Beobachtenden und vorhersagenden Meteorologie, das von eigens zu diesem Zweck ausgebildeten Meteorologen bewerkstelligt wird. Nicht ohne Grund, denn die Richtige Vorhersage des Wetters auf einem Flughafen sowie die richtige Vorhersage der Bedingungen auf der Route von A nach B hat immanente Auswirkungen auf
- die Sicherheit von Passagieren, Crew und Material
- den wirtschaftlichen Betrieb einer Fluglinie unter Aspekten der Ökonomie und Ergonmie
Einer der Gründe, warum dies in der heutigen Zeit so reibungslos funktioniert und nur wenige wirklich wetterbedintge Fatalitäten auftreten liegt nicht nur in der Ausbildung der entsprechenden Mets begraben, sondern auch vielmehr in der Tatsache, dass der Job eines Flugmets ein vergleichsweise einfacher, nichtsdestoweniger wichtiger ist.
Die Vorhersage der Strömungen und Verhältnisse in der freien Atmosphäre, speziell in den Reisehöhen der gängigen Maschinen zählt zu den Disziplinen, in denen die numerischen Modelle auf der relevanten Vorhersageskala (bis 24 Stunden) nahezu perfekt funktionieren, der jeweilige Meteorologe also nur wenig eingreifen muss bzw. kann.
Die Vorhersage des Wetters zum Zeitpunkt von Start und Landung ist wiederum eine Punktvorhersage mit speziellen Punktvorhersageparametern. Unterstützend greifen hier alle gängigen Nowcastalgorithmen den Mets bei dieser kruzialen Vorhersage/Analyse unter die Arme.
Auf Basis der En-Route Vorhersage werden von der Fluglinie Entscheidungen über die Position im jeweiligen Flugkorridor getroffen .. Moment.. was ist ein Flugkorridor ? Nun.. da muss ich etwas ausholen. Vor allem im Bereich langer Flugstrecken (3000km und mehr) wird relevant, dass die Erde eine nahezu perfekte Kugel ist (etwas unwuchtig, aber das soll erst einmal egal sein). Bei meinem ersten Langstreckenflug von London nach Melbourne war mir das zu allererst nicht bewusst, und wunderte mich nicht schlecht dass der Kapitän den Vogel nach Nordosten Richtung Helsinki steuerte. Der erfahrene Kapitän war natürlich nicht besoffen sondern trug lediglich der Tatsache Rechnung, dass die kürzeste Entfernung zwischen 2 Punkten auf der Oberfläche einer Kugel auf einem so genannten Großkreis liegt. Und nimmt man London und Hong Kong, so verläuft der Großkreis über Ärmelkanal-Ostsee-Baltikum-Moskau-Kasachstan-China.
Zu den Korridoren: Natürlich ändert sich der Großkreis mit der Wahl der Anfangs-Endpunkte. Jener von Frankfurt nach Hong Kong ist ähnlich, aber versetzt. Um nun zu verhindern, dass nun basierend auf der kürzesten Route die Maschinen mehr oder weniger kreuz und quer und damit schwer kontrollierbar um den Globus fliegen, wurden naheliegende Großkreise unter Berücksichtigung der Topografie (Städte, Hochgebirge) zu Korridoren, in denen sich Maschinen Länder überfliegen dürfen, zusammengefasst. Zwar werden dadurch die einzelnen Flugwege etwas verlängert, unter der Massgabe der Kontrolle und Sicherheit ist das aber zwingend notwendig.
Abhängig von der Verhältnissen in so einem Korrdior (Turbulenzen, Rückenwind, Gegenwind .. Hindernisse) trifft nun einen Fluglinie bzw. Flugsicherheitskontrolle die endgültige Entscheidung über Betankung des Vogels.
Innerhalb eines Korridors bemüht sich der Kapitän, Abweichungen von der vorgegebenen Flugroute so gering wie möglich zu halten. V.a im Gewitterfall sind Ausweichmanöver unumgänglich, da es den wenigsten Maschinen zumutbar ist, die Verhältnisse im Kern eines Gewitters unbeschadet zu überleben. Vor allem in den Tropen fliegen die Maschinen daher mehr oder weniger Slalom um die Gewittertürme. Um den Slalom so effizient wie möglich auszuführen, verlässt sich die Crew nicht nur auf den Sichtkontakt zu den CB's, sondern auch auf das eingebaute Mikrowellen (Wetter) Radar, um eben die Kerne zu vermeiden.
Insgesamt ist aber der Flug in der freien Atmosphäre wettertechnisch einigermassen langfristig planbar und nur mit geringem Überraschungspotential versehen. Weitaus kritischer sind Start- und Landephasen. Neben dem Wetterzustand (Regen, Schnee, Sichtweite) ist hier Windstärke und - Richtung relevant, da sie über die An/Abflugrichtung entscheiden. Ohne Experte zu sein kann mit Sicherheit gesagt werden, dass Start- und Landevorgänge mit Rückenwind vermieden werden. Unsteter Rückwind kann in entscheidenden Phasen zu einem kritischen Absacken des Auftriebes führen, was bei Gegenwind in diesem Ausmass nicht geschehen kann. Deswegen erfolgen so gut wie alle Starts und Landungen in der Richtung, in der eine Gegenwindkomponente vorhanden ist. Dabei spielt die Stärke gegenüber der Stetigkeit eine untergeordnete Rolle. Ich erinnere mich an den April 2008, wo ich mit Thai Airways in einer B777 in Melbourne bei 90 km/h Mittelwind vergleichsweise sanft landete, weil der Nordwind zwar Sturmstärke, aber nur geringe Böigkeit aufwies. Vergleichsweise ruppig verlaufen Landungen dagegen an heißen, windschwachen Tagen mit zahlreichen kleinen Thermikblasen ...
Lässt man also ausnahmsweise Aspekte des Umweltschutzes und des Klimawandels ausser Acht ist Fliegen großes Kino für einen Meteorologen wie mich, da man im Flieger die 2-Dimensionalität des Bodenwetters verlässt und das Wesen des Wetters in 3D ganz anders erfährt...
Lg
Manfred
Hallo Manfred!
AntwortenLöschenZunächst einmal möchte ich sagen, dass ich (fast) von Beginn an deine hochinformativen Beiträge lese und immer wieder spannend auf deine Wettervorhersagen warte!Ich habe bisher auf keiner anderen Webseite einen ausführlicheren und genaueren Wetterbericht als deinen gelesen, daher wird auch meine Freude am Lesen deiner Posts auch in Zukunft nicht abnhemen.
Mit dem oben angesprochenen Thema hast du mir als Pilot doch einen Grund gegeben, mich in erster Linie bei dir einmal zu bedanken, da diese Beiträge mich die gesamte Ausbildung begleitet haben, und zweitens ein Kommentar zu einem Beitrag zu hinterlassen :)
Grundsätzlich muss ich gestehen, dass du über sehr gute (navigatorische) Grundkenntnisse der Fliegerei verfügst, und bin mir sicher, dass ich mich bei gewissen anderen Themenbereichen der Luftfahrt - vor allem der Meteorologie - nicht mit dir anlegen sollte :)
Dennoch möchte ich zum Punkt "Landungen bei starkem Wind" etwas beitragen:
Grundsätzlich sind Landungen bei den verschiedensten Windstärken nicht das gröbste Problem. In erster Linie ist einmal das Handbuch (operating manual) des jeweiligen Flugzeugtypes verantwortlich dafür, die ersten (vorallem versicherungstechnische) Grenzen zu setzen. Eine Landung bei stärkerem Wind als im handbuch angegeben ist dennoch möglich, aber wehe es passiert etwas!
Den zweiten Abstrich kann dann noch eine Airline machen, in dem sie die Werte des Handbuches übernimmt, auf Nummer sicher geht und die max. erlaubten Windstärken nochmals nach unten korrigiert.
Letzterer ist der ausgebildete Pilot derjenige, der sich seine eigenen Grenzen setzt. Für den einen sind die max. angegebenen Windstärken machbar, für den anderen wiederum zuviel. Wäre an deinem besagten Flug mit B777 der Thai eine andere Crew on duty, könnte die Landung vielleicht woanders stattfinden, nämlich wo es sicherer ist. Dies hängt grob gesagt von vielen Faktoren ab!
Auch dein Statement über Rückenwindlandung ist richtig. Doch es muß gesagt werden, dass sie dennoch möglich sind und auch ausgeübt werden. In der Regel kann man sagen (Natürlich auch im Handbuch geregelt) dass Rückenwindlandungen bis zu 10kt kein Problem sind. Eine Rückenwindlandung bringt jedoch so einiges an negativen Faktoren mitsich:
-) Höhere anfluggeschwindigkeit, die den auftriebsverlust kompensieren muss
-) aufgrund der höheren Geschwindkeit ändert sich natürlich auch der bremsweg
-) wird die Landung ansich etwas erschwert, da die maschine vor der landung "abgefangen" wird, und bei erhöhter geschwindigkeit das problem entsteht, das schon bei geringstem anstellwinkel der Flieger wieder leicht steigt und verspätet zu Boden sinkt, was wiederum auf die kosten der landedistanz geht.
Natürlichen verlaufen an den heißesten Tagen die ruppigsten Landungen, am schönsten zu beobachten wenn vor der Landebahn ein breites flaches Feld liegt, das für schöne Thermik sorgt und die aufgeheizte Landebahn auch noch ihren Beitrag dazu leistet :)
So far, keep your posts coming!
LG, Raphael
Hi Raphael,
AntwortenLöschenvielen Dank für deine Expertenergänzung :) Beneidenswerter Job, der dir da in Aussicht ist ....
Schon einmal gut zu wissen, dass meine Beobachtermeinung nicht völlig daneben ist und jetzt wo du deine Erg. zur Rückenwindlandung angebracht hast, erscheint das sicher auch allen anderen Lesern als *logisch* (höhere Landegeschwindigkeit, Bremsweg etc...). Wie gesagt mein *Wissen* um das Themenfeld Wetter und Fliegen rührt zu 1% aus einer lange zurückliegenden Vorlesung und zu 99% aus dem, was ich als FrequentFlyer Passagier am Fenster, meist über dem Flügel einer 747 und den Durchsagen des Kapitäns bzw. der Offiziere mitkriege (mit etwas Kombination zu dem was ich wettertechnisch sehe). Die beschriebene Landung bei dem starken Gegenwind in MEL schien für die Crew nichts besonderes zu sein, ich nehme an, dass man wenn man MEL anfliegt einfach häufig mit so etwas rechnen muss (kann ich als Beobachter so unterstreichen)... da man sonst den Flugbetrieb an geschätzten 20-30 Tagen im Jahr einstellen müsste.
Was mein Statement zur Anflugrichtung angeht, das war u.a auch dadurch motiviert, dass, als ich am Mi. Abend nach Heathrow unterwegs wurde, etwa 20min vor der geplanten Landung die Anflugrichtung geändert wurde (auf Landung nach Osten) weil der schwache Bodenwind von Nordwest auf Nordost gedreht hat, woraus ich schloss, dass auch bei Schwachwinsituationen darauf geschaut wird, wenn es vertretbar ist, gegen den Wind zu landen.
Danke jedenfalls und mal schauen, wann ich wieder etwas zu dem Themenfeld beitragen kann.
Lg
Manfred
Hallo Manfred!
AntwortenLöschenLondon Heathrow ist natürlich vergleisweise mit anderen Flughäfen einer der größten weltweit. Bei der Anzahl an Flugbewegungen macht es natürlich keinen Sinn, die Flugzeuge auch bei geringstem Rückenwind weiter landen zu lassen. Die Abstände der landenden Flugzeuge ist minimal, und nach der Landung wird auch schnellstens versucht, die Piste zu verlassen, um den nachfolgenden Flugzeugen eine schnelle Landung zu ermöglichen. Anders sieht es z.B. in Graz aus. Dort landet wenns mal gut geht pro Stunde ein größerer Jet. Bei dem geringen Verkehr kann es sogar seitens der Flugkontrolle zu mehreren "Angeboten" hinsichtlich der Landung kommen. Da kann sich der Pilot schnell mal 10-15 min ersparen, wenn er die Rückenwindlandung in Kauf nimmt, da er sonst den ganz Weg hinunterfliegen müsste, um die Piste von der anderen Seite anfliegen zu können!
Aber wie gesagt, hängt dieses Thema doch von einigen Faktoren ab!
LG, Raphael
Hi Raphael,
AntwortenLöschendas leuchtet in jedem Fall ein. :) Man sieht.. Piloten und Wetterfuzzis können bei gemeinsamer Interessenslage in jedem Fall voneinander profitieren... und solltest du einmal einen Zuseherplatz im Cockpit, wenn auch nur für 10min, freihaben.. ich wäre interessiert ;)
Lg
M.
Servus Manfred!
AntwortenLöschenDa gebe dir vollkommen recht, nicht umsonst ist die Wetterkunde in der Fliegerei das wichtigste Fach! Über den Sitzplatz mach dir keine Sorgen, dass werden wir schon einmal hinbekommen!
LG
@Raphael: Wo fliegst du denn?
AntwortenLöschenHallo Lukas!
AntwortenLöschenIch habe meine Ausbildung erst vor kurzem beendet und befinde mich im bewerbungsprozess. Ich hoffe das dies nicht mehr lange dauert :)
LG
Raphael