Samstag, 17. Dezember 2011

Nachschau auf Sturm JOACHIM und Modellvergleich

Hallo,

der bislang schwerste Sturm in Zentraleuropa des Jahres 2011, mit Namen Joachim, verliert über Nordosteuropa im Moment deutlich an Kraft und ist bald Geschichte.

Grund genug, um einen kleinen Nachruf zu gestalten und hier auch verschiedene Modelle auf ihre Fähigkeit der korrekten Simulation dieses besonderen Tiefs hin zu untersuchen.

Fangen wir mit der Satellitensequenz an...


Donnerstag 22 Uhr:

 Freitag 07 Uhr:
 Freitag 13 Uhr:
 Freitag 16 Uhr:
 Freitag 21 Uhr:


Zu sehen ist wie sich JOACHIM von einer ganz klassischen offen Welle hin zu einer Shapiro-Keyser Zyklone mit ihrer maximalen Intensität über Mitteldeutschland hin entwickelt. Zum Abend hin beginnt die Warmfront zu verschwinden und das System völlig zu okkludieren. Die Intensität geht zurück.


Das war ja irgendwie zu erwarten... dieses irgendwie möchte ich ein bisschen erläutern, in dem ich die 36 Stunden Vorhersage verschiedener Modelle, initialisiert am Donnerstag um 00 Uhr, gültig für Freitag 12 Uhr gegenüberstelle.

ECMWF:


GFS:


UKNA:

 

WRF12:



ECMWF prognostiziert zu dieser Zeit einen Kerndruck von 967 hPa, GFS von 975, UKNA von 957 (!) und WRF von 968 hPa. Es handelt sich um eine 36 Stundenprognose und hier sind die Unterschiede also sehr markant, was die Intensität des Tiefs angeht. UKNA schlägt nach unten aus, GFS nach oben.

Hier die Wahrheit am Freitag um 12Z:



.. und um 15Z:



In Wahrheit lag der Kerndruck um 12Z bei 964 hPa und um 15Z bei 963 hPa.

GFS lieferte also eine denkbar schlechte Prognose. Interessant ist, dass WRF12 in GFS genestet wurde und hier zu einem deutlich verbesserten Ergebnis kam.

Am Besten für den 12Z Termin war ECMWF.

Gut, schauen wir uns die kürzerfristige Prognose für das Maximum der Intensität um 15 Z an, diesmal mit WRF und UKNA, initialisiert beide am Freitag um 00Z. Es handelt sich also um eine 15 Stunden Prognose.

UKNA:


WRF12:


UKNA geht auf 956 hPa, WRF auf 961 hPa, gemessen wurden 963 hPa. Also, auch auf die kurze Vorhersagedauert gab es Unterschiede bei den Lokalmodellen von 7 hPa, wobei UKNA hier zu tief gestapelt habe.

Der Kerndruck ist das eine, der Wind das andere... Im WRF fällt das extreme Sturmfeld über der Schweiz um 12Z, um 15Z etwas schwächer mit bis zu 45 kt Mittelwind im Schweizer Mittelland (Das Hügelland zwischen Alpen im Süden und Jura/Schwarzwald im Norden)  auf... Modellwahnsinn ?

Die Messwerte zeigen ...




dass am Nachmittag dort vebreitet wzsichen 35 und 40 kt Mittelwind gemessen wurde, an einer Station sogar 50 kt. Die Böen erreichten deutlich über 100, an zwei Stationen (wovon eine davon recht exponiert sein dürfte) 143 bzw. 153 km/h, also satte Orkanstärke. Der Kanalisierungseffekt (ich hoff, es ist einer, ich bin mit den Schweizer Verhältnissen nicht allzu bewandert) zusammen mit einer einigermassen optimalen Windrichtung wurde vom WRF hier also korrekt erfasst.

Am Nachmittag und Abend entwickelte sich an der ostwärts rasenden Kaltfront eine konvektive Schauerlinie ... und dann waren Bayern bzw, Österreich mit den schweren Sturmböen bzw. orkanartigen Böen dran:


122 km/h in Isny, 119 km/h in Waizenkirchen ... relativ harmlos hingegen das sonst so windige Wien mit lediglich 80 bis 90 km/h in Böen.

Ein Wort zum Föhn: Der erreichte in Brand/Vorarlberg 112 km/h, am Rohrspitz am Bodensee (Südwestföhn vom Appenzellerland herunter) sogar 115 km/h, während er in Innsbruck partout nicht durchbrechen wollte. Föhnschäden wurden vor allem im Umfeld der hohen und Niederen Tauern von Salzburg bis ins Steirische vermeldet.

Wer nur auf ein einziges Pferd gesetzt hätte, der wäre mit der Binsenweisheit konfrontiert worden: Modell vetraut, Prognose verhaut.

Gruß

Manfred


8 Kommentare:

  1. Zu den beiden Stationen im Schweizer Mittelland mit 50 kt Mittelwind: Die südöstlichere (Üetliberg) ist eine Bergstation auf fast 900 m mit einem Windmesser auf einem Sendemast und bekannt für extreme Windverhältnisse bei Weststürmen (bei Lothar wurden 241 km/h gemessen). Bei der nordwestlicheren Station (Brugg) handelt es sich um einen permanenten Messfehler, dem Diagramm zufolge hätte es dort schon drei Tage ununterbrochen Orkan gegeben ;)
    Fazit zu den gemessenen Werten: Es handelte sich um einen netten Sturm mit Orkanböen an exponierten Lagen, wie er alle paar Jahre vorkommt. Den in den Medien und leider auch von einigen Wetterdiensten kolportierten (Monster-)Orkan gab es nicht. Unsere Wälder stehen noch und ebenfalls unsere Häuser, wenn auch der eine oder andere Dachziegel sein Leben lassen musste.

    Noch eine Bemerkung zu einem Modellfehler, der hier nicht zur Sprache kam: Bereits für die Nacht auf Freitag und den Freitagvormittag wurden für das Schweizer Mittelland 10m-Windstärken modelliert, welche jenseits aller Realität waren (was einem als erfahrenen Meteorologen aber sofort auffallen musste). Wieso die Modelle volle Durchmischung bei Warmfrontregen rechnen, würde mich aber doch interessieren.

    Grüßlis
    Fabienne

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  2. Ich würde bei einer Shapiro-Keyser-Zyklone kein drei-Frontensystem zeichnen, sondern hätte es so eingezeichnet wie hier in Stadium IV:

    http://www.cimms.ou.edu/~schultz/gif/models.gif
    http://www.zamg.ac.at/etrainwiki/lib/exe/fetch.php?w=&h=&cache=cache&media=skm_2.png

    Man sieht die Lücke zwischen KF und Warmfront auch im Satellitenbild, und im Temperaturfeld, z.B. 15 UTC gibts keinen klaren Windsprung, zumal die Kaltfront parallel zur Höhenströmung zog und deswegen keine diskrete Linie entwickelte.

    In meinen Augen war Joachim eine Lehrbuch-S-K-Zyklone mit warm seclusion.

    @Fabienne: Im Binnenland wars kein flächendeckender Orkan wie Kyrill, allerdings war das Windfeld auch anders, da kein normales Sturmtief, sondern eben Shapiro.

    Anders in Frankreich, hier kann man sehr wohl von einem Orkan sprechen, und 400 000 Haushalte ohne Strom sprechen auch eine klare Sprache.

    Letzendlich fiel der Trogsektorsturm schwächer aus, auch der Druckanstieg rückseitig war nicht so scharf. Trotzdem halte ich den Begriff Orkantief für gerechtfertigt.

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  3. 400'000 Haushalte ohne Strom sind keine flächendeckende Zerstörung von Häusern, Wäldern, Infrastruktur. Und da es selbst an Frankreichs Küste keine Mittelwinde über 118 km/h gab, war es per Definition kein Orkan.
    Wenn wir aus jedem schweren Sturm einen Orkan machen, wie nennen wir dann einen richtigen Orkan? Monster-Orkan wie BILD und "Österreich"?
    Nein, Übertreibungen und Begriffsverfälschungen sollten wir der Boulevardpresse überlassen und nicht als Profis noch unterstützen.
    Stürme sind gefährlich, Orkane sind verheerend. Wer den Unterschied nicht begreift, dem sei mal eine Reise in die Karibik nach einem Hurricane (gleicher Wortstamm wie Orkan) ans Herz gelegt.

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  4. Hallo,

    zu den Fronten. Ich sehe keine Veranlassung (das Satellitenbild beiseite lassend) eine Variante mit warm seclusion zu zeichnen. Am Ende des Tages sind Fronten Luftmassengrenzen, egal ob sie sich am Bild abzeichnen oder nicht. Hier die Äquivalentpotentielle Temperatur am Freitag um 15Z:

    http://tinyurl.com/borvd7n

    Auch am Boden (Temperaturen) hat man kein Anzeichnen für die (sehr konzeptionelle) Stage IV Variante. Die ist rein visuell begründet.

    Frontenlegung in Kernnähe ist immer schwierig, vor allem auch dadurch, dass dem Windfeld per se schon sehr viel zyklonale Vortiticity anhaftet, das Eutzerl das von einem Frontknick kommt, kann da sehr leicht untergehen.

    Was den Orkan angeht. Viele der verheerenden Stürme in Kontinentaleuropa der letzten 30 Jahre waren streng genommen keine Orkantiefs, ganz einfach auch deswegen, weil es abgesehen von Küsten denkbar unwahrscheinlich ist, dass ein Tief, abgesehen von Bergen, Windstärke 12 im Mittel über eine ausreichende Zeit aufrecht erhalten kann. Der Joachim war zumindest vor dem Landfall vor der französischen Küste sehr nahe dran, mit (modellierten) Mittelwinden bis 63 Knoten, 66 brauchts für den Orkan, Messungen hats halt keine.

    Es kommt m.E drauf an WO das Tief entlangzieht und welche Regionen auf seiner Bahn liegen ... für einen Schotten wäre der Joachim ein *ferner liefen* Tief gewesen, wahrscheinlich auch der Kyrill und die Xynthia.... für Zentraleuropa ein Ereignis, das wie du sagst sicher auch nicht jedes Jahr vorkommt, vielleicht alle 3, 5 .. k.A

    Mangels anderer Begrifflichkeit ist es vielleicht schon zulässig, da ein wenig zu biegen, eben nicht soweit dass aus einem Spatz ein Adler wird.

    Gruß

    manfred

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  5. Rein phänomenologisch (Radar+Satloop) hat sich die Warmfront eingedreht, die Kaltfront kam später mit frontparallelem Wind, daher auch sehr verwaschen (typisch für S-K). Nur in Frankreich eine richtige Linie mit größerer frontsenkrechter Windkomponente.

    Einen Okklusionsprozess vermisse ich im Kernbereich, aber ich werd nicht weiter insistieren, wir haben halt zwei unterschiedl. Meinungen dazu. Dass es eine S-K-Zyklone war, sind wir uns einig, oder?

    Was den Orkan angeht: Lothar hatte an 2-3 Stationen im Binnenland kurzzeitig Orkan als Mittelwind.

    Und was ich auch nicht vergessen haben will:

    Vor dem Ereignis sah es noch nach mehr aus, v.a. im Trogsektor. Hinterher ist natürlich immer gescheit reden.

    Gruß,
    Felix

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  6. Hallo,

    was sich von oben mit Blick auf die Cirren etc abgespielt hat ist das eine, und da kann ich das mit dem Eindrehen der Warmfront irgendwie nachvollziehen .. wichtig ist mir halt, dass der Blick von oben nur bedingten Einblick in die Interaktion der Luftmassen darunter gibt. Dass es eine SHPK war ist klar. Das nicht dafür notwendige (Sub)Konzept der Warm Seclusion (nicht im Allgemeinen, aber im speziellen bei Joachim) zweifle ich an, und es ist auch nicht notwendig. Sieht man auf ThetaE 850 (schau dir den Loop an) sieht man sie nicht. Schaut man auf die Bodenwerte, sieht man sie nicht. Man sieht in 850 hPa sehr wohl krasse frontnormale Windkomponenten (siehe :

    http://phix.dyndns.tv/blogglump/dai/20111218/tae.gif

    ) und die Kaltfront ist gut ausgeprägt, wobei man aber sicher auch die Aufweitung des Gradienten im Bereich der Schwäche der Wolkenstruktur sieht. Nichts desto trotz ist es nicht berechtigt, hier keine Front zu analysieren, der starke Gradient ist nach wie vor vorhanden und der TFP springt deutlich an.. Weiters kommt im Loop heraus, wo der Bartl den Most herholt. Das Schrumpfen des Warmsektors kommt eindeutig durch die hinter dem Kern vorstossende Kaltluft (KLA nach Osten gerichtet) zu Stande, während gleichzeitig die WLA an der Warmfront zunehmend nach Norden gerichtet ist (Anfangs war auch die WLA nach Osten gerichtet und zwar stärker als die KLA). Allein geometrisch muss es im späteren Stadium, also zwischen 09 und 15Z zu einem Okklusionsprozess in Kernnähe kommen.

    Lg

    Manfred

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  7. Danke für den Loop. Allerdings bin ich jetzt verwirrt. Denn das Schrumpfen des Warmsektors ist Freitagmittag, 12 UTC schon abgeschlossen, d.h. zu diesem Zeitpunkt wäre das Ding schon okkludiert gewesen (bis Südwestdeutschland).

    Danach sieht man einen zweiten Warmsektor, der östlich von Österreich okkludiert.

    Jedenfalls ist der Ablauf im Thetae-Feld alles andere als eindeutig.

    Wenn ich das Konzept der Frontenanalyse - Front immer auf der warmen Seite der Drängungszone - anwende, dann war Joachim schon okkludiert, als er Südwestdeutschland erreicht hat.

    z.B. hier:

    http://www2.wetter3.de/Archiv/GFS_05Grad/2011121612_5.gif

    sehe ich den Warmsektor südlich vom Zentralmassiv mit Warmfront über Marseille und Kaltfront südöstlich von Bordeaux

    Hier sieht es hingegen wieder nach weit geöffnetem Warmsektor aus:

    http://www2.wetter3.de/Archiv/GFS_05Grad/2011121618_5.gif

    Gruß,Felix

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  8. Hallo,

    na ja,... du interpretierst diese Karte hier etwas großzügig :)

    http://www2.wetter3.de/Archiv/GFS_05Grad/2011121612_5.gif

    Die Warmfront (der erste Gradient) reicht hier m.E.n von Berlin über Mähren nach Ungarn und weiter zum Balkan. Über den Alpen lagert hier irgendeine (virtuelle) Totluft, Modellföhnluft, was auch immer, in den unteren Schichten, die dann wegerodiert wird. Also ist hier auch um 12Z im ThetaE der Warmsektor weit offen .

    Das Phänomen von *kalten* Inseln o.Ä im Warmsektor tritt oft auf, soll aber das große Bild nicht stören.

    Lg

    Manfred

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Da kenntat ja jeder kumman ...! Dennoch ... Hier ist Platz dafür :) !