Hallo,
Es ist gut (wobei *gut* hier relativ zu sehen ist), wenn das Wetter sich hin und wieder nicht an das Bild hält, das man in der Vorhersage für den nächsten Tag zeichnet. Und genauso sind gestern einige Dinge passiert, die in dieser Ausprägung dann doch überrascht haben, bzw. an die man überhaupt nicht gedacht hat. In unserem näheren Umfeld gab es nämlich ...
Zahlreiche Gewitter mit hohen Niederschlagsmengen
Konvektiv durchsetzten Starkregen an der Alpennordseite
Bodenseeeffekt in Bregenz
Einen ordentlichen Tornado in Venedig.
Beginnen wir mit dem Satelliten-Blitzloop..
Bitte im Fullscreenmodus ansehen. Da geschieht so Einiges... Zuallererst zeitlich angesiedelt ist das Starkregenereignis in Bregenz... 83mm fielen hier bis jetzt in 24 Stunden, davon 50 in 2 Stunden am Vormittag ... ohne Blitze, wie sich zeigt.
Danach ziehen 2 kräftige Zellen über den Raum Venedig hinweg, wobei die nördliche den Tornado produziert.
In weiterer Folge entwickeln sich Alpennordseitig am Nachmittag zahlreiche Gewitterzellen, die zu einem konvektiven Starkregencluster verschmelzen und auch an sonst so trockenen Orten wie Laa an der Thaya z.B 57mm Regen herablassen.
Die Situation zur Zeit der Dusche von Bregenz:
Man sieht nicht allzviel Detail, das vielleicht wichtigste Detail um das Rätsel zu lösen in den den 500-er Isolinien zu finden. Der Bodensee lag nahe der Achse des Kurzwellentroges. Das ist dort, wo die kälteste Höhenluft liegt und wahrscheinlich auch dort, wo der stärkste Temperaturgradient zwischen Wasseroberfläche des Bodensees sowie der hohen Atmosphäre auftritt. Unter gewissen bedingungen begünstigt so eine Situation die Ausbildung von sehr schmalen, aber intensiven, nur wenige km breiten Konvektionswalzen, die am Ende des Tages enorme Unterschiede im Niederschlag auf Engstem Raume hinterlassen. Ansatzweise hatte das WRF mit einem Bodenseeereignis gerechnet:
andere Modelle eher nicht.
Venedig:
Wie auf dem Sat/Blitzloop zu sehen zogen die enstprechenden Zellen vom Landesinneren auf, und haben auch die Charakteristik von Einzelzellen... können wir es also wirklich mit seinem superzelligen Tornado zu tun haben ? Es bleibt nur der Blick in die Vertikale um hier Indizien zu finden (abgesehen vom Videomaterial)..
Wiederum ist das Bild zwecks höherer Qualität bitte anzuklicken ... Es fallen hierbei auf:
- respektable Cape-Werte jenseits der 1000 J/kg
- starke Höhenströmung, allerdings mit der richtig starken Zunahme erst oberhalb von 7000m Höhe bis auf 60 kt.
- zeitweise starke LL Scherung mit guten Werten der Helizität durch Drehung von Nord auf Südwest mit der Höhe (Anm. Helizität: Schraubenhaftigkeit).
Man hat insgesamt schon üblere Bedingungen für die Ausbildung von Superzellen gesehen als in diesen Profilen, sodass die Möglichkeit des superzelligen Tornados hierbei im Raum bleibt.
Zu Guter letzt schließe ich mit den Niederschlagssummen der letzten 24h sowie den Modellsichten auf diese..
Die Wahrheit:
EZ Sicht:
GFS Sicht:
RACE Sicht:
WRF Sicht:
UK Sicht:
Wieder einmal schön zu sehen bei den Paaren RACE-EZ und WRF-GFS, wie die Lokalmodellierung den Features der Muttermodelle zu mehr Ähnlichkeit mit der Realität verhilft.
Lg und schönen Mittwoch,
Manfred
Hallo Manfred!
AntwortenLöschenDanke für den immer wieder abwechslungsreichen Beitrag bzw. deinen Beiträgen.
Zwei kurze Fragen.
1) Bei der vorgestrigegn Animation ist der kurzwellige Trog über Frankreich schön zu sehen, gestern, also beim Starkregen in Bregenz, nicht mehr. Seh ich da irgendwas nicht richtig in den Isolinien?
2) Tornado in Venedig: Ist die starke Windzunahme nicht viel zu *hoch* oben um einen SZ-Tornado zu produzieren? Außerdem sieht man bodennah N-Wind, drehend auf SW. Aber das ist ja Linksdrehung mit der Höhe, was normal Kaltluftzufuhr bedeutet - oder war der seichte Nordwind anfangs Zufall, aufgrund der Land-Seewind-Zirkulation?
Besten DAnk
Stefan
Hallo
AntwortenLöschen1) Ist schlecht zu sehen, aber wenn du ganz genau schaust geht eine gelbe Isolinie, die die Periferie des Kernes markiert genau über Vorarlberg, der Trog ist also fast genau drüber !
2) Richtig, da ganz oben bringt es nicht mehr besonders viel, indirekt aber schon, weil die Separation von Auf und Abwind dennoch gefördert wird und langlebige Zellen, die man dann auch braucht, gefördert werden. Man hat also ein vergleichsweise neutrales Windprofil. Das kurze Nordwindintermezzo zu einem Termin im Modell dürfte bei genauerem Hinsehen durch ein Modellgewitter, das wohl nördlich vorbeizog und Modell-Ausfluss produziert hat (NH Modelle machen das so..) ausgelöst worden sein, was man auch an der Annäherung von Temperatur und Taupunkt zu diesem Termin sieht. Ist also wahrscheinlich weniger relevant.
Übrig bleibt ein Profil, das weder LMV noch RMV, sollte eine SZ entstehen, bevorzugt. Und es sieht so aus, also ob der starke Aufwind (CAPE) in Kombi mit der 35kt Windscherung bis 700 hPa, plus etwaige Küstenkonvergenz etc. hier am Ende des Tages maßgeblich war.
Interessant wäre in diesem Zusammenhang zu wissen, ob es schon stromauf, also landeinwärts den Tornado gab, wenn nicht könnte Land-Seewind wirklich das letzte Zünglein an der Waage gewesen sein.
Lg
Manfred
Hallo,
AntwortenLöschendie Winddrehung im Uhrzeigersinn mit der Höhe dürfte dank dem etwas tieferen Luftdruck über der Poebene und dem überlagerten SW-Wind in der Höhe geklappt haben (laut Radarbildern dürfte es zu dem Zeitpunkt keine kaum externe, mesoskalige Auswirkungen auf das Windprofil gegeben haben).
Dazu hier die Bodenanalyse um 6z und ein paar Stationsdaten um 7 utc aus dem naheliegenden Friaul (Die Station in Venedig meldete um 9 utc, kurz vor dem Zeitpunkt des Tornados, schwachen Südwind):
http://im.bilderkiste.org/8133979754187/12061206_DWD_Analyse.gif
http://im.bilderkiste.org/2133979720167/lig_12Jun2012_0700.gif
Hier nun ein Radarbild um 11 Uhr Ortszeit. In den Folgeminuten wurde der Trichter südöstlich von Venedig gesichtet. Der Reflektivitätsgradient im Südwesten der Zelle sowie die nach Osten hin offene "V-Struktur" würden für eine Superzelle sprechen.
http://im.bilderkiste.org/5133979731469/rad.png
Zum Schluss hier der 6-stündig aufsummierte Niederschlag von 11 bis 14 Uhr, geschätzt aus den Daten des Friaul-Radars: eine leichte Ausscherung der Zelle ist eventuell erkennbar...
http://im.bilderkiste.org/3133979738302/SRT_06h_12Jun2012_1100_(1).gif
Interessanterweise hat der Tornado östlich von Jesolo etwas später erneut Bodenkontakt gehabt. Laut den Einheimischen ist es aber noch nicht ganz klar ob er sich zwischendurch aufgelöst hat oder ob er weiterhin als Funnel unterwegs was... Fotos davon befinden sich ab Seite 19 in diesem Bericht: http://www.meteotriveneto.it/reportage/tornado_veneziano_12062012_M3V-MNW.pdf )
Sehr interessanter Fall!
Viele Grüße,
Nikolas