Gestern war es wieder einmal soweit, pünktlich zum NOVA ROCK ist wieder einmal ein massiver Brummer die Alpennordseite entlang gerast. Von Starkregen bis Sturm und Großhagel war über eine Strecke von mehr als 500km alles dabei, was eine Deklaration als Unwetter mehr als gerechtfertigt.
Bevor wir uns genauer ansehen was da alles über die Alpenrepublik zog, schauen wir uns das Ganze erst einmal im Zeitraffer von oben her an ..
Der Satellitenloop im VIS-IR Overlay..
Und das Ganze nocheinmal im Zoom auf Österreich ... mit Radar und Blitzen überlagert ..
Wir sehen, dass sich am Vorderrand eines Kaltfrontbandes über dem Allgäu ein System bildet, das dann unter Rechtsausscheren die Alpennordseite entlangwandert und um ca. 21:00 das Land nach Osten hin verlässt. In den Medien war wie gesagt u.A von Sturm und Starkregen zu lesen, aber auch von Großhagel, und jener ist dokumentiert bis hin zu Größe von 6cm. Das passt dann nicht mehr ganz ins Bild einer *normalen* Squalline, denn solche Hagelgrößen würde man mit deren Passage nicht unbedingt erwarten.
Das Ganze nur als *Squallinepassage* abzutun , obwohl es von oben her erst einmal so aussieht, sollte man nicht ohne vorherige Detailanalyse tun, und der sollten wir uns einmal widmen.
Beginnen wir noch einmal von oben um das oben gesagte zu untermauern:
Die klassische Situation .. ein mesoskaliger Cluster, etwa 100x100km im Schirm umfassend, an der Vorderseite eines Troges über Westeuropa.
Die Situation in der sich das System entwickelt hat, ist relativ brandgefährlich gewesen ..
UBIMET RACE zeigt, dass das System in seinem Einzugsgebiet bis zu 1500 J/kg an CAPE zur Verfügung hatte, diese aber mit bis zu -50 CIN gedeckelt war. Genau die richtige Größenordnung um CAPE fressende Dreckskonvektion lange genug zu unterdrücken. Sehen wir uns die Modelltemps an, so sehen wir, wie die brisante Mischung perfekt wird...
Hier zu sehen für Wien-Schwechat, wie ein mäßiger Deckel die Konvektion noch unterbindet, der Aufstieg aber insgesamt hoch labil ist und zudem DL-Scherung bis 55 kt aufweist. Nach Westen hin ist zu diesem Zeitpunkt die Scherung etwas geringer, allerdings sind jedemfalls in einer Labilitäts/Scherungsklasse, die Superzellen diskussionslos zulässt .... und genau diese müssen wir jetzt auf den Dateilansichten der Radaraufnahmen suchen.... hier sieht man noch keine, sondern *nur* eine typische Squallline...
es dauert aber nicht lange ...
und man siieht, wie sich deutlich separiert von der Line an deren Vorderseite eine assymmetrische Zelle bildet
..die eine ganz scharfen Gradienten an ihrer Südflanke aufweist. Diese hat z.B in Wieselburg an der Erlauf, festgehalten von David Gepart, eine bemerkenswerte Wallcloud inkl. Großhagel aufzuweisen gehabt. Am Südrand der Squalline befindet sich hingegen der Form nach ein so genanntes Bow Echo, eine lokale, nach vorne ausbrechende gebogenen Struktur in einer Squall line
Eine ähnliche Zelle vor der Squalline sieht man im Waldviertel, auch die hat es in die Nachrichten geschafft. Insgesamt beginnen die Strukturen aber am frühen Abend immer mehr miteinander zu verschmelzen, sodass für Wien und NOVA ROCK..
.. nur eine normale Squalline mit kurzeitigem (10 Minuten) Platzregen und Sturmböen übrig bleibt.
Succus: Wir müssen also bei dem, was da gestern passiert ist zwischen dem was AN der Squall passiert ist und dem, was davor passiert ist, unterscheiden.. DAVOR gab es einen schmalen Streifen mit geringem Deckel, hoher Labilität und großer Scherung, der Superzellen mit entsprechenden Wettererscheinungen (Großhagel und gerüchteweise auch *Mehr*) ermöglicht hat, AN der Squall gab es den für sie typischen Starkregen und Sturm bzw. kleineren Hagel.
Die Separierung nochmals von oben:
Man sieht die beiden Systeme über Oberösterreich deutlich voneinander getrennt, während ..
eineinhalb Stunden später die weitgehende Verschmelzung stattgefunden hat. Man sieht auf dieser Aufnahme sehr gut die Schattenwürfe bei tiefstehender Sonne der Overshooting Tops, die die einzelnen Aufwindbereiche markieren.
Zum Abschluss noch ein Satz zur Prognostik: Die RACE Variante von 00Z hatte im Vorhinein eine ziemlich klare Idee dessen, was sich niederschlagstechnisch und clustertechnisch abspielen wird....
In diesem Sinne, schönen Samstag,
Lg
Manfred
Servus
AntwortenLöschenDas Leben der Squall-Line lässt sich sogar lückenlos bis südwestlich von Genf zurückverfolgen (Genf 10:00 MESZ, südlich von Bern kurz vor Mittag, dann über Luzern und die Ostschweiz ins Rheintal ca. 14:00 MESZ)
http://www.meteoradar.ch/forum/forum_uploads/incoming/20120608_211040_Alfred_frei.gif
Wenn ich richtig gezählt habe, hat das System mindestens 7 Länder "beglückt".
Danke für diese vorzügliche Dokumentation! Hatte das Teil gestern auch im Visier, daraus am Abend für WO allerdings nur eine leichtkostige Tellerrand-Info erstellen können, immerhin mit eindrucksvollen Satbildern garniert ... ;-)
AntwortenLöschenhttp://www.wetteronline.de/wotexte/redaktion/topthemen/2012/06/0608_gw_Unwetter-tobt-in-Oesterreich.htm
Grüße, Jürgen
Etwas mehr als ein *Gerücht* ist es schon, es gibt sogar zahlreiche gute Bilder im Skywarn-Austria-Forum. Nur ist der Bodenkontakt eben nicht bestätigt, wobei der ESSL-Glücksmensch, der das Ding vom Zug gesehen hat, seine Bilder noch nicht gezeigt hat.
AntwortenLöschenUnabhängig davon, ob *es* da war, war es für mich persönlich das eindrucksvollste Erlebnis, seit ich mich für Wetter interessiere, und das sind jetz 15 Jahre.
PS: Einen ausführlichen Bericht dazu wird man später auf meiner Website finden.
Dir sag ich danke für den meteorologischen Input und die Speicherung der Satellitenbilder :-)