Sonntag, 16. September 2012

Man lernt nie aus..

Hallo,

der technische Fortschritt geht so schleichend und selbstverfreilich, dass es selbst ich nicht mehr als Wunder betrachte, wenn ich hier mitten in der Einöde, gut 250km von der nächsten größeren Siedlung entfernt vollen 3G Empfang habe, um diese Zeilen zu tippen. Wir halten also einen Moment inne und danken *TELSTRA*.

Ehrlicherweise habe ich nur ca. 5 Sekunden inne gehalten, weil ich eigentlich zum Wesentlichen, nämlich zum Wetter kommen möchte.

Der jetzige Urlaub ist für mich auch in meteorologischer Sicht etwas ganz neues, weil ich mich noch nie in einem tropischen Klimat aufgehalten habe, das aber dennoch einen markanten Wechsel der Jahreszeiten, 2 an der Zahl, Trocken- und Regenzeit, aufweist. Als jemand, dem das Wetter auch im Urlaub in seinen Grundzügen nicht wurscht ist, habe ich in den letzten Tagen versucht, das, was sich vor meinen Augen abspielt, zu ergründen und zu interpretieren. Vorab, ich bin im äußersten Nordosten Australiens, auf der Höhe der Stadt Cairns, am Ansatz der markanten Halbinsel Cape York auf ca. 17° südlicher Breite.

In dieser Klimazone spielen die für uns gewohnten Fronten, seien es Warm,- Kalt- oder Okklusionsfronten keine Rolle, meistens jedenfalls nicht. Was eine gewichtige Rolle spielt, ist der Passat... und den schauen wir uns jetzt an...

einmal im Bild:




Der Passat ist ein Phänomen der Subtropen und äquatorferneren Tropen. Im Englischen heißt er *Trade Wind*, weil dieser beständige, kräftige Wind optimal zur Auswahl der Handelsrouten der Schiffe genutzt werden konnte. Er weht in Nordostaustralien beständig aus Südosten gegen die Küste und treibt feuchte Luft gegen das Land, die sich an den Bergen, immerhin bis zu 1600m hoch, staut und vor allem am Morgen für Krisenstimmung beim Urlauber und dazu noch Kampfnieseln sorgt.

Die Ursache des Passats liegt im Gleichgewichtsspiel des subtropischen Hochdruckgürtels und des tropischen Tiefs... schön zu sehen anhand der aktuellen Bodendruckverteilung über Australien samt Windkarte:


Dort, wo an der Ostküste die feuchtwarme Meeresluft gegen das Land und die gleich hinter der Küste aufragenden Berge trifft, dort bilden sich teils markante Wolken ... einerseits im Modell...


sowie auch in der Wirklichkeit:


und bei Cairns, wo die Berge besonders hoch sind, fällt auch messbarer Regen .... rein durch den Stau:


Cairns liegt da wie gesagt an der Küste am Ansatz zum Cape York, das ist der große Spitz in Nordostaustralien. Es ahndelt sich im Gegensatz zu dem Regen, den wir gewohnt sind um so genannten warmen Regen, also Regen, der nie eine Eisphase durchgemacht hat. Die Tropfen enstehen in Wolken, die 10 oder 15 Grad warm sind, rein durch Kollision und Zusammenwachsen. Das gibt es bei uns nur ganz selten, am ehesten noch bei Nebelreißen im Winter und Herbst.

Tagsüber schafft die Sonne das, was sie beim Wiener Hochnebel im Dezember nicht mehr schafft. Sie schafft es, das Wolkenmeer aufzubrechen und konvektiv zu durchmischen... wobei der ursprüngliche Stratus in große Teller von Cumulus und Stratocumulus übergeht:


Jetzt, am Ende der Trockenzeit ist die Atmosphäre aber noch zu stabil, dass hochreichende Konvektion einsetzt, die Wolken stehen an einer Inversion in ca. 3000m Höhe an. DAS ändert sich erst Richtung November, da wird die Saison der täglichen Nachmittagsgewitter, ab Ende Dezember dann die Saison der Zyklone eingeleitet.

Solange diese Zyklonen sich aber fernhalten, gehorchen die Wetterabläufe hier einer Regelmäßigkeit, die wir in Mitteleuropa einfach nicht gewohnt sind. Es macht keinen Sinn, sich Wetterberichte durchzulesen, da der Nebel am Vormittag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgeht und die Nachmittagstemperaturen um +/-1K um den Wert des Vortages schwanken.

Insofern ist es für meinen Berufsstand dann doch gut, dass es Zyklone gibt, denn DA braucht man dann die Expertise...

In diesem Sinne hinterlasse ich sonnige Grüße,

Lg

Manfred

P.S Für die Insider: Wer kennt den Gänserdorfer Zinken und kann mir ein Foto dieses Berges senden ? Er muss mindestens 1000m hoch sein. Und wohin können 90mm auf dem Weg nach unten verdunstet sein ? Wir brauchen irgend so etwas wie ein schwarzes Loch in der unteren Atmosphäre östlich von Wien . Für Hinweise dankbar ...

Mittwoch, 5. September 2012

Das permanente Streben nach Balance

Hallo,

keine Angst, das wird kein Artikel über Seelenheil, Wellbeing oder Politik, obwohl die Überschrift auch darauf passen würde. Wie immer geht es hier auch in diesem Zusammenhang nur ums Wetter und die Atmosphäre.

Ich beginne mit einem südlichen, aktuellen Motivationsbild:


Das ist das aktuelle Windfeld über der größten Insel der Welt..


In weiten Teilen Süd- und Südostaustraliens wurden (zu Recht) Warnungen vor schwerem Sturm ausgegeben, auch mich hat es beinahe auf die Straße geweht (geschätzte Böen derzeit um die 100, 110 km/h)

Das passende Satellitenbild:


Eine Sturmzyklone mit ihrem Zentrum über der großen Australischen Bucht ist auf Ostkurs... Grund genug sich mit einem wesentlichen Thema zu beschäftigen... Der Wind, der Wind, das himmlische Kind (na ja).. warum weht er eigentlich ?

Die eingänglichste Erklärung findet mit dem dem natürlichen Gradientgesetz statt, das in vielen Bereichen der Wissenschaften, aber auch der Ökonomie, Anwendung findet. Wenn irgendwo von etwas *viel* da ist und gleich daneben wenig, so findet eine Bewegung zum *Vielen* zum *Wenigen* statt, und zwar umso mehr, je geringer der Widerstand für die Bewegung ist.

Ist einleuchtend. Beim Wetter ist das *irgendwas* der Luftdruck, also umgerechnet die Masse der gesamten Luftsäule über einer Fläche. Die Bewegung dazwischen ist der Wind, der Widerstand ist die Zähigkeit der Luft bzw. die Reibung.

Sidestep: Es gibt nur abzählbar viele Perversionen dieses Gradientenprinzips, z.B in früheren absolutistischen Monarchien oder heute Vergleichbaren Strukturen, wo das Geld netto von den Armen zu den Reichen geflossen ist...

Zurück zum Wind. Direkt nach Newton kann man folgern (Kraft gleich Masse mal Beschleunigung), dass die Beschleunigung der Luft eine Summe der Kräfte ist, die auf die wirken.

Wir kennen all diese Kräfte:

Die Druckgradientkraft (siehe oben)
Die Erdbeschleunigung
Die Reibung
Die Scheinkraft der Coriloiskraft durch die Drehung der Erde
Die Zentrifugalkraft bei gekrümmten Bewegungen

Wenn man nun annimmt (was eine hochgesteckte Forderung ist) dass das alles in Balance ist, und alle Bewegungen geradlinig stattfinden, auf die Reibung pfeift, kommt man zur sogenannten Geostrophischen Windgleichung. Die sagt uns dass der Wind parallel zu den Linien gleichen Drucks weht, und zwar umso stärker, je näher die Isobaren beisammen liegen, also je stärker der Druckgradient ist. Das ist die erste Näherung.

Im zweiten Fall lässt man gekrümmte Bahnen zu, also Bewegungen z.B um Hochs und Tiefs. Hier wirkt die Zentrifugalbeschleunigung mit. Die geostrophische Windgleichung wird um einen Term modifiziert und das Ergebnis ist auch ähnlich, nur lernt man, dass bei gleichem Druckgradienten Bewegungen um ein Hoch schneller von statten gehen als um ein Tief herum.

Im dritten Fall nimmt man noch die Bodenreibung dazu. Aus der entsprechenden Gleichung lernt man dann, dass aufgrund der Reibung der Wind zwar immer noch um Hoch und Tief zwirbelt, allerdings die Isobaren leicht ins Tief hinein und aus dem Hoch heraus kreuzt. Jeder der mal Roulette gespielt hat kennt das. Die Kugel kreist erst ganz oben, wirbelt sich aber langsam in Richtung der Zahlen/Farben.

In all diesen Fällen geht man aber von einem stationären, sich nicht ändernden Druckfeld aus, eine Angelegenheit, die auf der Erde natürlich nicht haltbar ist. Im instationären Fall gleichen sich die wirkenden Kräfte nicht mehr aus, und auch der Ansatz der unbeschleunigten Bewegung ist hinfällig. Die entsprechenden Gleichungen lassen sich zwar leicht anschreiben, aber gar nicht leicht lösen, ein Grund, warum wir zur Wettervorhersage Supercomputer brauchen.

Ein Beispiel der Auswirkung der beschleunigten Bewegung auf einer aktuellen Wetterkarte:


Das ist die enstprechende Höhenströmungskarte in 300 hPa, also gut 9000m Höhe. Man sieht an der Nordperiferie des Höhentiefs Windgeschwindigkeiten bis 200 Knoten, also 360 km/h. Die Form ist so, dass es ein lokales Windmaximum da irgendwo über Adelaide (mitten im weißen Gebiet) gibt. Das ist ein Jetstreak. So ein Jetstreak wird durchströmt. Ein Luftpaket, dem wir den Namen *Mitzi* geben, damit wir es verfolgen können, strömt aus Westen in den Jetstreak ein, wird beschleunigt und geschüttelt und strömt im Osten mit viel Schwung wieder aus. Mit einer geostrophischen Balance ist hier nichts zu machen, und schaut man genau hin, sieht man wie die Windpfeile die Isohypsen systematisch kreuzen, also nicht parallel zu Ihnen wehen, obwohl so weit oben die Reibung keine Rolle spielt.

Das führt unter anderem zu folgendem, wo ich die Windrichtungsdifferenzen am rechten östlichen Ende des Streaks deutlich überzeichnet habe:


Auseinanderströmen, auch Divergenz genannt (Itipfelreiter würden noch zwischen  Diffluenz und Divergenz unterscheiden, im Rahmen des Blogs ist das aber wurscht). Divergenz in 300 hPa heißt, hier wird nach allen Richtungen Masse/Luft weggeschleudert, die muss natürlich von irgendwo nachströmen, in der Regel von unten, es herrscht hier also Aufsteigen, was gut für die weitere Entwicklung des Tiefs ist.



Insgesamt findet man an einem Jetstreak 2 Divergenz- und 2 Konvergenzgebiete, auf der Südhalbkugel herrscht rechts vorne und links hinten Div sowie links vorne und rechts hinten Kon. Auf der Nordhalbkugel ist das genau andersrum.

Hier ein aktuelles Beispiel aus Europa am nordwestlichen Kartenrand:



Was ich damit, mit all dem langen Sermon, sagen will, die dass genau die permanente Inbalance und das Streben nach Wiederherstellung der Balance, dass fast immer zum Scheitern verurteilt ist, durch Bewegungen, Ausgleichströmungen, auf und ab, genau die Dynamik in die Atmosphäre bringt, die uns tagtäglich (ausser im November bei Hochnebelwetter) entgegenschnalzt.

Der Diesel des Ganzen, der ist die Tatsache der differentiellen, also ungleich verteilten Sonneneinstrahlung, sowohl zwischen Tag und Nacht aber noch stärker durch die Benachteilung der Pole und der Bevorzugung der Tropen ...

In diesem Sinne wünsche ich einen emsigen Mittwoch,

LG

Manfred

Dienstag, 4. September 2012

Scharfe Kontraste aus der Geierperspektive

Hallo,

mittlerweile habe ich mich mich auch körperlich an die neue Zeitzone gewöhnt, und auch das Wetter in Melbourne spielt diesmal mit... strahlender Sonnenschein und Werte über 20° (was im frühen Frühling alles andere als selbstverfreilich ist) haben die Umstellung wettertechnisch ziemlich smooth verlaufen lassen.

Mit dem neutralen Blick der absoluten Unbefangenheit bezüglich des europäischen Wettergeschehens ausgestattet, kann der Blogger wieder das große Bild ins Auge fassen. Unter dem großen Bild verstehe ich z.B. jenes, das sich im Moment aus 36.000km Höhe, also aus Satellitenperspektive bietet. Da sieht man Schönes ..


Ich möchte Euren Blick auf das enorme Tiefdruckgebiet mit seinem Zentrum nahe Island lenken. In Farben dem IR-Bild unterlegt, die Kenner des Blogs wissen das ja schon, ist der Energieinhalt der Luft. In Rosatönen sind die warmen/heißen Luftmassen gehalten, in grün und Blautönen die kalten. Man sieht, dass fast ganz Kontinentaleuropa noch in der warmen Luftmasse schwelgt, in der das giftige Italientief der letzten Tage nun langsam seinem Ableben entgegen geht. Blickt man hingegen auf Westeuropa, so eröffnet sich einem ziemlich schnell, dass hinter dem langestreckten Wolkenband, welches sich dem Islandtief zugehörig zeichnet, sehr grüne/kalte Luft heranrast. Das Band, das die Luftmassen von einander trennt, ist eine markante Kaltfront.

Hier in der Modellluftmassenanalyse:


Luftmassenanalysen kann man auch rein vom Satelliten aus durch Betrachtung, Kombination und Subtraktion verschiedener Satellitenkanäle erhalten... es ergibt sich dann dieses Bild:


Hier sind die Wolken in Weiß dargestellt, in Grün ist feuchte und warme Luft gehalten, in Rot extrem trockene Kaltluft. Geht man in das Kerngebiet des Sturmtiefs nahe Island, sieht man wie eine rote Schliere, also sehr trockene Kaltluft in hohen Atmosphärenschichten um den Kern gewirbelt wird. In diesem Bereich ist die Tropopause, also die Grenze zwischen Troposphäre und Stratosphäre so stark deformiert, dass Stratosphärenluft in die Troposphäre gemischt wird, was über Umwege eines der Hauptnahrungsmittel für die Sturmzyklone darstellt.

Man kann in den Wettermodellen einen Indikator für solche eindringende Stratosphärenluft festmachen, die IPV (isentrope potentielle Vorticity). Ohne Euch mit der Formel auf den Geist zu gehen, hier einfach das Bild der IPV zum obigen Zeitpunkt:


Diese so genannte IPV-Anomalie passt 1:1 zur roten Schliere im Luftmassen-Satellitenbild bzw. schmiegt sich an deren Vorderseite. Solche doch extremen Luftmassengrenzen gibt es (fast) überall auf der Welt, ein besonders kräftiges Beispiel gibt es gerade auch im Westen Australiens, wo ja der Winter in schweren Rückzugsgefechten steckt... das sieht auf der Seite der Erde, auf der man Kopf steht, so aus:


Passend dazu die Frontenanalyse:


Man beachte einmal mehr, dass Süden hier die kalte Richtung ist, Norden die warme :)

Zurück nach Europa, der Wiege der Unkultur.... die Vorhersage der Modelle für Zentraleuropa ist klar, die Kaltfront wird die noch spätsommerlichen Luftmassen von Mittwoch auf Donnerstag nach Süden hin vertreiben...


... und mit dem folgenden Azorenhochausläufer werden vor allem in windgeschützten Lagen die Nacht auf Freitag schon knackig frisch ausfallen, unter Umständen lokal auch zu frisch für manch Sommerkräutlein.

In diesem Sinne, genießt die verbleibenden ca. 36h Stunden bis Kaltfrontdurchgang.

Bis demnächst !

Manfred