Donnerstag, 22. November 2012

Xynthia's Kopie: Very British my dear, isn't it ?

Hallo,

Seit dem letzten Eintrag ist ein bisschen Wasser den Golfstrom folgend nach Osten geflossen, die Modelle haben diese Zeit genutzt um bezüglich der im letzten Eintrag erwähnten imposanten Shapiro-Keyser Zyklogenese in der zweiten Wochenhälfte ziemlich um den heißen Brei herumzueiern, sie zu cachieren, um sie aber nun womit erhöhter Prognosesicherheit wieder lebendig werden zu lassen. Succus: Die eh einigermaßen sturmerprobten Briten, Iren sowie Nordfranzosen müssen sich vermutlich auf ein bissl was Gröberes gefasst machen.... somit ist aus der noch am Sonntag angedachten Kopie der bösen Xynthia in den Modellen eine Art Brenda, ein "Fish+Chips" Sturm geworden, aber was für einer !!!..... zur aktuellen Situation:







.. und wie es dazu kam:






Zurück zur aktuellen Situation. Die interessante Ecke befindet sich links oben. Das breite Wolkenband gehört zu einer Warmfrontwelle, in ihrem südlichen Bereich sieht man die Erbsenstruktur von hochreichender Konvektion, es handelt sich um eine Warmfront aufgebaut aus subtropisch-labiler Luft karibischen Ursprungs. Diese Karibikluft hat bislang die Rechnung ohne den Wirt, den standesgemäßen Herrscher über den Nordatlantik gemacht, nämlich Polar- und Arktikluft aus hohen Breiten. Diese strömt an der Rückseite einer alten Zyklone über Island auf die Warmfront zu, und schon ist am Nordrand der Front ein rot angehauchter Bereich zu sehen, sehr kalte, trockene Luft macht sich nördlich der Front breit. In den sich verschärfenden Luftmassengegensätzen hat sich an der Front bereits ein schwaches, eigenes Zirkulationszentrum entwickelt, eine Warmfrontwelle.
Die aktuellen Prognosen für den obigen Zeitpunkt passen gut zum Satellitenbild:




Laut ECMWF ist diese Konfiguration wie sie sich jetzt darstellt, ideal für eine Kopplung der Subtropen-Warmluftwelle mit dem Trog polaren Ursprungs im Norden, dem enstprechend kräftig ist die Intensivierung des Systems bis Sonntag in den aktuellen Karten modelliert:




Man sieht, ziemlich genau wie zu Wochenbeginn bereits vermutet, dass an dem scharfen Gradienten der relativen Feuchte die Zirkulation in der Höhe rasch zunimmt und dass trockene Luft an der Südflanke des sich vertiefenden Höhentroges massiv nach Osten vorstösst, und sich aus der Kombination beider Prozesse rasch die typische T-Bone-Steak Struktur einer Shapiro-Keyserin entwickelt, bei der Warmfront und Okklusion über längere Zeit einen Schwammerlkopf bilden.

Auch am Boden schreitet die Zyklogenese rasch voran:





sodass wir von Samstag auf Sonntag mit einem (beinahe) Orkantief, das von Südwesten her Irland und Cornwall zusteuert, enden..





Wiederum, es sind noch etwas mehr als 72h bis dahin, hier kann sich noch Einiges an Zugbahn und Intensität tun, da es sich um ein vergleichsweise kleines Sturmsystem handelt, dennoch ist die Wahrscheinlichkeit für etwas *Gröberes* im Bereich Bretagne/Südirland/Cornwall etc. im Moment doch dezent erhöht.

Lg

Manfred

Montag, 19. November 2012

Xynthia - reloaded ?

Hallo,

manchmal spielt einem der Zufall wohlwollend in die Hände, zumindest, was die Modellprognosen angeht. Habe ich im letzten Eintrag auf die wichtige Rolle von trockenen Zungen in der oberen Atmosphäre für die Intensivierung von Zyklonen hingewisen, so bin ich doch mangels passender Großwetterlage ein Beispiel schuldig geblieben.

Mit den Mittagsläufen der *Big 2* kam aber auf einmal ein Paradebeispiel über dem Atlantik ins Spiel, ein System, dessen Entwicklung und entwarnenderweise Nicht-Entwicklung sicher so manche Meteorologen vor allem in Spanien Portugal und Frankreich sicher mit Argusaugen verfolgen werden.


Hier wird es geboren...


Ihr seht nichts ? Richtig, denn da braucht man schon das Vorwissen, was denn da am Freitag, also nur knapp 60h nach dem ersten Bild über der Biskaya passieren soll:


Ein knapp unterschwelliges Orkänchen kreiselt da auf den Westen Frankreichs zu. Von diesem Bild bin ich rückwärts auf die Suche nach den Wurzeln gegangen und habe sie in 2 Systemen identifiziert..



... Unter dem schwarzen Kreis sieht man eine Schwache Bodenwelle, die sich an einer Warmfront einer halbsubtropischen Zyklone außerhalb des Ausschnitts gebildet hat. Unter dem Roten Kreis befindet sich ein Höhentrog, angefüllt mit eiskalter, trockener Luft, der an sich nichts mit dem ersten System zu tun hat, aber geradewegs darauf zusteuert.

Schauen wir uns die Animation von Bodenwind und Bodendruck ab diesem Zeitpunkt an:


Man sieht, wie sich die zunächst sehr unscheinbare Welle auf dem Weg nach Osten (bei hoher Zuggeschwindigkeit) im Modell rasch zu einer kleinräumigen, aber nichts desto weniger intensiven Sturmzyklone intensiviert.

Nun kommt der Clue... schauen wir uns die Angelegenheit (selber Ausschnitt, selber Zeitraum) mit den neuen Feuchtekarten im 500 hPa Niveau an:




Man sieht, dass der herannahende Höhentrog, manifestiert durch trockene Luft scheinbar einen Keil aus der Feuchtemasse der ursprünglichen Warmfrontwelle herausschneidet und das Ganze sehr rasch zu einer typischen Spiralform einer gut entwickelten Zyklone vor der Westküste Europas führt.

Das ist ein bisschen bilderbuchmäßig, nicht gerade Märchenstunde, aber trifft jedenfalls den Kern der Entwicklung nicht ganz. Es ist eine optische, keine dynamische Analyse.


Schauen wir uns einzelne Stationen auf dem Weg vom Band zur Spirale an.

1)



Zu Beginn sieht man erstmal, wie am westlichen Bildrand eine Zunge trockener Höhenluft auf das feuchtegebiet der Welle zusteuert.


2)




30 Stunden später die entscheidende Phase. Die Welle wurde in die Vorderseite des Troges aufgenommen, die Systeme sind vollkommen miteinander verschmolzen. Man sieht, dass knapp vorderseitig der Trogachse enorme Unterschiede in der Feuchte auftreten, und diese Unterschiede sind im Unterschied zum ersten Bild nicht mehr parallel zur Strömung (symbolisiert durch die blauen Isohypsen) sondern normal darauf angeordnet.


3)

weitere 18 Stunden später wird der Weg ganz klar:


Der Trog wird schärfer und schärfer, an seiner Südflanke prescht die trockene Luft weit nach Osten vor, weil dort die Windgeschwindigkeit am höchsten ist (Jet), während näher an der TRogachse bzw. nahe des Zentrums des sich entwickelnden Höhentiefs die Feuchte Luft zurückgehalten wird, es ensteht eine ganz klassische Hammer/Amboßform.... (Kenner des Blogs wissen eh schon, was jetzt folgt)

4)


Wir enden mit der optischen Erscheinungsform einer markant ausgeprägten Shapiro-Keyser Zyklone, wobei sich in 500 hPa jetzt schon ein eigenständiges Zirkulationszentrum (Höhentief) ausgebildet hat, um das sich die feuchte Luft kringelt (Okklusionsfront des Tiefs). Zwischen Okklusion und Kaltfront prescht die Zunge trockener Luft sehr weit nach Osten und Nordosten vor und wird allmählich in die gesamte Zirkulation um das Zentrum herum eingebunden.

Dieser Bereich ist besonders *gefährlich*:


Gerade in diesem Bereich der hereinpreschenden, trockenen Höhenluft ist die Windgeschwindigkeit in den unteren Atmosphärenschichten besonders groß, ich habe beispielhaft 850 hPa gewählt. Es handelt sich um einen Sting-Jet (Sting=Stachel), der vielleicht in 500 hPa eher wie ein Stachel, da weniger gekrümmt als in 850 hPa aussieht:



Was hier im Bereich des Sting-Jets, der mit dem Eindringen trockener Luft in die unteren Atmosphärenschichten verbunden ist passieren kann ist folgendes: Etwaige, vorhandene tiefe und mittelhohe Bewölkung kann in der trockenen Luft regelrecht verdunsten, Verdunstungskühlung setzt ein, damit verstärkte Abwärtsbewegung und ein heruntermischen des Impulses der oberen Luftschichten zum Boden.

Genau dieser Sting-Jet war das Markenzeichen der herben Xynthia Ende Februar/Anfang März 2010:




.. freilich keine eindrucksvolle Zyklone, wenn man sich den Kerndruck allein mit *lediglich* um die 980 hPa ansieht, wohl aber eindrucksvoll bzw. furchterweckend bei der Spur der Verwüstung, die Xynthia durch Teile Portugals, Spaniens, Frankreichs und Deutschlands gezogen hat. Jedenfalls, vergleicht man die Entwicklung von Xynthia damals mit der aktuell prognostizierten, erkannt man eklantate Parallelen, sowohl was die Entstehung (Ort/Art), als auch was die Bahn, die Ausdehung und die Intensität angeht.

Natürlich, wie immer, muss noch viel Wasser den Golfstrom nach Osten fließen, und das Änderungspotential der Vorhersagen ist bei solcher Dynamik auf 5 bis 6 Tage enorm, will ich nur gesagt haben.


Zusammenfassend. Wie jedes konzeptionelle Modell hilft uns jenes der SHPK oder RC lediglich visuell sowie phänomenologisch zu verstehen, was an Dynamik in der Atmosphäre geschieht. Schlampigerweise wird in Zusammenhang mit der RC oft die Diktion verwendet, dass die trockene Luft (dry intrusion) einen keil in die Bewökung schneidet und so sehr schnell die Spiralform  auf die Satbilder bringt. Das ist natürlich nicht so, da dieses Beispiel zeigt, wie wichtig auch in diesem Fall die Intensivierung der Zirkluation in der Höhe (Bildung eines Höhentiefs) für die Spiralform ist. Am Ende des Tages geht wie immer in der Dynamik, alles Hand in Hand, die Prozesse laufen parallel und bedingen einander (gekoppelte DGL*s), es ist unmöglich sich den Wasserdampf herauszupicken und ihn als Verursacher hinzustellen, allerdings ist er ein genialer Tracer um zu verstehen, was im Rahmen einer solchen Zyklogenese so abgeht...


Lg

Manfred



Sonntag, 18. November 2012

Trockene Luft = Schönwetter ? Mitnichten..

Hallo,


der heutige Eintrag bringt mich und die Leserschaft wieder einmal ganz nah ans aktuelle Wettergeschehen und auf ein AHA Erlebnis meinerseits. Zu Hause (nun, das ist relativ) bereitet man sich dieser Tage auf die zumindest ganz zäh anlaufende Saison der Atlantischen Sturm- und Orkantiefs vor.  Zur Sprache kamen dabei Analysen und Prognosen des Wasserdampfgehaltes der oberen Atmosphäre... warum, dazu etwas später mehr.

Anders als man zunächst vermuten möchte, machen sich Meteorologen (insbesondere solche, die dem so genannanten IPV thinking nicht allzu abgeneigt sind) dabei auf die Suche nach besonders trockenen Gebieten, nicht nach besonders feuchten. Als ein so ein halber IPV Thinker hab ich mich mal an Karten versucht, die beides *highlighten*, also besonders trockene UND beonders feuchte Zonen. Gelandet bin ich nach einigem hin und her bei folgender Darstellung:


Wir sehen eine Vorhersage der relativen Feuchte für Europa und den Nordatlantik für den nächsten Dienstag auf dem 500 hPa Niveau (ca 5000-6000m Höhe). Extrem trockene Gebiete sind in ROT gehalten (RF kleiner als 10%), feuchte Gebiete in grau und weiß (100%). Zeigen sich die hochreichenden Bewölkungsgirlanden der Frontenzüge erwartungsgemäß in weiß, so zeigt sich als interessantes Detail, dass diese Fronten von Girlanden, geformt aus extrem trockener Luf,t umgarnt sind. An der rückwärten Flanke z.B der Front , die am Dienstag auf Westeuropa übergreift, befinden sich extrem trockene und sehr feuchte Luft sogar auf engstem Raume nebeneinander.

Das ganze funktioniert nicht nur für die Vorhersage, sondern auch für die aktuelle Analyse, z.B vom Satelliten aus:


Durch die Kombination mehrerer Kanäle des Meteosat9 zeigen sich diese frontrückwärtigen trockenen Zungen ebenfalls in Rottönen.

Das funktioniert auch anderswo auf der Welt, und vielleicht sogar noch besser:


Die aktuelle Situation über Australien zeigt eine beinahe künstlerisch wertvolle Anordnung von Feuchtezonen und umgarnenden trockenen Schlieren, über dem Süden sogar in mehrfachen Doppelstrukturen.

Die trockene Schlange in 500 hPa über Südostaustralien steht mit einem scharfen Höhentrog in Verbindung, der Auslöser der trockene Zunge ist das Eindringen von Stratosphärenluft im Bereich einer Tropopausenfaltung an der Periferie des Troges, ich kann mich entsinnen, das schon einmal erwähnt zu haben.

Im Bereich dieser Tropopausenfaltung hat man auf engem Raum feuchte und trockene Luft nebeneinander, was, ohne hier die Theorie zu sehr zu strapazieren, zu Querzirkulation und damit zu Zyklogenese führen kann, wenn eine Front in der Nähe ist (man sieht die Verantwortung der trockenen Schlieren für Bombings mitten auf dem winterlichen Atlantik immer wieder, nur gerade nicht jetzt eben).

Zwar ist was Wetter unter diesem Trog *mies*, wie ich aus der heutigen Erfahrung persönlich bestätigen kann, aber nicht *besonders*. Besonders war es hingegen gestern und heute weiter im Nordosten, an der Grenze zwischen Queensland und New South Wales.

- Großhagel
- Überschwemmungen
- Orkanböen
- Tornados

kurzum, eine Reihe von Superzellen hat eine Spur der Verwüstung über das sonstige Urlauberparadies gezogen. Was sagen uns die angesprochenen Feuchtekarten von dort ?

In tiefen Schichten:


Das Gebiet der Superzellen findet man, wenn man auf der Legende links auf ca. 40% geht und dann nach rechts bis zur Küste geht. Man sieht die typischen hohen Feuchtewerte, wie man es an der subtropischen Küste in ca. 1500m Höhe erwarten würde.

Geht man nach oben, z.B auf 5600m:


so springt ins Auge, dass genau diese feuchte tiefe Schicht von einer sehr trockenen in der oberen Atmosphäre überlagert ist.

Worauf will der hinaus ? mag sich jetzt der geneigte Leser und die noch geneigtere Leserin fragen. Nun, feuchte und trockene Luft verhalten sich doch deutlich anders, wenn sie gehoben werden. Erstens hat bei gleicher Temperatur und gleichem Druck feuchte Luft eine geringere Dichte als trockene. Bei der Expansion (Aufsteigen) kühlt sich feuchte Luft auch weniger schnell ab, als trockene. Zusammenfassend, hat man es bei so einer Schichtung mit einer Dose Cola (von mir aus auch Coke Zero) zu tun, die geschüttelt wird.. Bricht der Deckel (Inversion), steigt die feuchte Luft innerhalb der überlagernden trockenen vergleichsweise viel schneller auf, als dies bei neutralem Feuchteprofil geschehen würde, Gewittertürme schießen innerhalb von Minuten in den sonst stahlblauen Himmel auf. Wir kennen diese Situation aus dem amerikanischen Mittelwesten nur zu gut...

Addiere dazu noch die kräftige Scherung...




. hier auf die Schnelle als Unterschied zwischen Wind in 10m und auf Jetstreamniveau visualisiert und man hat das perfekte Rezept für Superzellen.

Auf dem Satellitenbild:





.. die (sorry für den starken Zoomfaktor) die Entwicklung von zahlreichen Superzellen um und südlich von Brisbane, von denen mindestens 2 Tornados produziert haben, aber auch abseits der Tornados zahlreiche Schäden angerichtet haben ...






Das heißt:

Im Winter: Trockene Zungen im Nahbereich von Fronten weisen uns auf die Möglichkeit rascher Wellenbildung und rapider Zyklogenese hin, vor allem, wenn zusätzliche Kurzwellentröge (*Bemmerln* in der Höhenströmung) im Nahbereich vorhanden sind. Die Theorie dahinter ist nicht 100% straight forward, weswegen man zur Beschreibung eher beim konzeptionellen Modell bleibt, ansatt wirklich das *Warum* zu erklären*

Im Sommer:

Feuchteprofil mit Augenmerk auf trockene Höhenluft durchsuchend: Abschätzung der Konvektionsverstärkung, wenn man das konzeptionelle Modelle *Ich schüttle eine Cola Dose* zur Vorhersage verwendet.

Lg

Manfred

Montag, 12. November 2012

Was blieb von Wasser und Wind ?

Hallo,


der gröbste Teil des Starkregenereignisses ist vorbei, vielleicht ein ganz guter Moment, um da eine kleine Rückschau zu betreiben bzw. Bilanz zu ziehen. Wie immer ist das aktuelle IR-500hPa Bild ein guter Startpunkt, um in die Diskussion einzusteigen...


Es zeigt die Okklusionsfront des im letzten Post angesprochenen Hybriden nun schon über der Osthälfte des Landes. Das steuerende Zentrum des Tiefs liegt über Gibraltar und tropft zunehmend ab. Die Front wird zwischen diesem Ankerpunkt und dem nach Osten davoneilenden Resttrog über Zentraleuropa immer mehr in die Länge gezogen und schließlich zerrissen, die Niederschlagsaktivität geht sukzessive zurück. Was blieb davon bei uns hängen?

Nun, so Einiges, wie z.B der Blick auf die Regenmengen der vergangenen 24h zeigt:


138mm in Kötschach, davon 105** in nur 12 Stunden, 112 in Dellach, 60-90mm vom Brenner bis ins Mölltal, in Unterkärnten hingegen teilweise Dürre.


** Auf 12h bezogen ist das die größte Regenmenge in Kötschach seit Bestehen der Unwetterzentrale, also seit min. 8 Jahren.


Das Bild braucht jedenfalls etwas Erklärung, und die findet man in einem Phänomen, das ich vielleicht schon in etwas mehr Detailreichtum beim letzten Posting ausführen hätte sollen, im Föhn.

Föhn. Na no na ned gibt es den auch in Kärnten. Nordföhn, sicher. Für dieses Bild muss man aber den Kärnter Südföhn bemühen, der dort sowie in der Weststeiermark den schönen Namen Jauk trägt. (Vielleicht, weil er das Heu davon'jaukt' oder sonstwas..)

Den Jauk kennen native Einwohner des Rosentales und des unteren Drautales, also z.B von etwas ostwärts von Villach bis Lavamünd ganz gut, ein warmer, stürmischer Wind der von den Graten der Karawanken und durch die zahlreichen Schneisen eben dieser Grate herab- und hindurchjaukt.

Recht zugig war es beispielsweise in Ferlach, am Ausgang der Tscheppaschlucht unterhalb des Loibls:



Große Taupunktsdifferenzen, Böen bis 90 km/h und spritzige 18,2° Höchsttemperatur. Und genau dieser Jauk zeichnet sich mehr oder weniger direkt dafür verantwortlich, dass am Loiblpass immernoch 48mm zusammenkamen, direkt unterhalb in Ferlach noch knapp 16mm, in Klagenfurt, von Ferlach nur rund 13km und den berühmten Haider-Kogel*** getrennt, 3.8mm.

(*** um diesen ranken sich zahlreiche Legenden, je nachdem, wer sie erzählt geht es um Hochprozentiges oder Geheimdienste)

Weiter im Westen, also Richtung Gailtal und Osttirol ist die Tal-Berg Geometrie für so etwas wie Jauk ungünstig, deswegen reichten dort die Starkniederschläge bis an die Tauern (Hauptkamm..)

Bis an die Tauern ? Nein, sogar noch weiter... man schaue ins beschauliche Böckstein, seines Zeichens eindeutig im Gasteinertal und damit in Salzburg an der Nordseite des Hauptkammes gelegen:




56mm/24h, dazu stürmischer Südföhn und große Taupunktsdifferenzen. Böckstein ist eine der österreichischen Paradestationen für den so genannten Dimmerföhn. Der Dimmerföhn, erfunden haben ihn die Kollegen in der Schweiz,  steht lautmalerisch für ein Föhnereignis (an der Alpennordseite) bei dem gleichzeitig kräftiger Regen auftritt. An sich ein Widerspruch, nicht aber in den Alpen. Die Erklärung ist konzeptionell, daher nicht experimentell überprüft: Der Niederschlag wird im Stau der Tauern produziert und durch die stürmische Höhenströmung über den Hauptkamm geweht, wo er trotz Föhn, der an den Tropfen nagt, noch in erklecklichem Ausmass ankommt.
Hier sieht man das oben festgestellte in seiner Gesamtheit auf dem kombinierten IR+Radar+Blitzloop der letzten 72h:



Alle Observationen passen jedenfalls recht gut zu den Modellsimulationen, die ich im letzten Eintrag verwendet habe:


.. wobei hierauf der Jauk-Effekt schon zu sehen war (geringe Summen in Unterkärnten), aber im Vergleich zu Realität doch deutlich zu schwach ausgeprägt, denn z.B in St. Andrä/Lavanttal ist bislang nur weniger als 1mm, statt wie oben angedeutet 7-13mm gefallen. Auch Klagenfurt steigt mit 3.8mm im Vergleich zu vor 3 Tagen vorhergesagten 20mm recht wüstenhaft aus. Das große Bild erlaubt es jedoch, dem Modell affirmierend auf die Schulter zu klopfen.



Somit war summa summarum das Muster dieses Starkregenereignisses ein dezent anderes als jenes vor einer Woche, wo auch in Unterkärnten die heftigen Regenfälle wegen schwächerem und kürzerem Jauk weit nach Norden ausgriffen und damit auch die nördlichen Zubringer der Drau Hochwasserscheitel einbrachten, etwas, das diesmal in jedem Fall fehlt. Wir sehen im Moment HQ1 Werte an der oberen Drau, sowie HQ10-HQ30 Werte an der unteren Gail, sonst aber durchweg normale Wasserführung der meisten Kärntner Fließgewässer, womit Pi Mal Daumen ein allzu hoher Scheitel an der unteren Drau (Lavamünd) ausbleiben sollte.

Was bringt die kommende Woche ? Sieht so aus, als ob der November nun ein stückweit seinen Ruf einbringt.... der Luftdruck über Mitteleuropa steigt, die Temperaturen in den Niederungen gehen doch allmählich zurück, die Nebelanfälligkeit steigt, und ob uns mittelfristig ein Hauch Russischer Kälte aus Osten ereilt, hat derzeit zumindest eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit, als darauf würfelnd zu setzen



Lg

Manfred





Freitag, 9. November 2012

Unheilige Zyklonenallianz: Föhnsturm und viel Wasser am Wochenende

Hallo,

die Großwetterlage in Europa gestaltet sich dieser Tage leicht repetitiv  (neunmalklug für *zur Wiederholung neigend*), was aber gerade mit dem Zoom auf die Alpen alles andere als gleichbedeutend mit 'langweilig' ist, ganz im Gegentum. Würde ich an der Alpensüdseite leben, würde ich mir so schnell keine Wiederholung der Ereignisse vom Wochenanfang wünschen. Doch leider genau danach sieht es aus.

Zur Einstimmung das aktuelle Infrarotbild, unterlegt, wie so oft mit dem Geopotential der 500 hPa Fläche:


Zwei Systeme springen ins Auge: Eine dicke Zyklone mit dem Zentrum bei Island, die eine formschöne Okklusion aus West bis Nordwest auf den Kontinent lenkt. Das andere relvante System für die nächsten Tage ist das recht zahnlos aussehende Tief vor der Küste Portugals. Es ist fürwahr ein uraltes Tief, lenkt aber an seiner Vorderseite sehr warme und auch energiereiche Luft aus Nordafrika nach Nordosten.

Man sieht diese beiden Systeme, bzw. was sie tun, auch ausnehmend schön in der aktuellen Verteilung der Äquivalentpotentiellen Temperatur in 850 hPa.


Zur Auffrischung: ThetaE ist ein Maß für die Gesamtenergie der Luft in einem Niveau, die sich aus innerer Energie , Energie der Lage und latenter Energie zusammensetzt, anhand dieser Größe kann man sehr gut verschiedene Luftmassen voneinander unterscheiden. Schön zu sehen die warme Zunge der Okklusion des Islandtiefs, wie sie sich um das Zentrum wirbelt, sowie der doch recht dicke Warmluftberg, den das Portugaltief langsam nach Norden schiebt.

Ab Morgen verschmelzen die beiden Systeme, was dazu führt, dass ie ehemalige Isländerin die Portugiesin in ihre Vorderseite einbettet und nach Nordosten, geradewegs hin zu den Alpen führt.

Diese Allianz ist es, die ich als für die Alpensüdseite als unheilig bezeichne, weil sie genau das en masse bringen dürfte, was keiner in Osttirol, Kärnten, der slowenischen Krajna nach dem letzten Montag wirklich braucht: Viel Regen bei einer Schneefallgrenze im Hochgebirge.

Die Simulationen der Lokalmodelle sehen hierbei nicht gut aus...



Diese direkte Output ist, so einfach er zu interpretieren scheint, ist dann wirklich doch nur etwas für Meteorologen, die auch um die Technik hinter Lokalmodellen wissen.

Man interpretiert, als Tipp, solche Karten nicht als Zahlen, sondern als Größenordnungen, und diese Größenordnungen sagen uns, dass, so keine wesentlichen Änderungen der Großwetterlagenentwicklung eintreten werden, Regenmengen in der Größenordnung von 50 bis 200mm im 4 Länder und Provinzeneck Italien/Osttirol/Slowenien/Kärnten möglich sind, und zwar von Samstag Nachmittag bis Montag Mittag.

Beachtlich ist der scharfe Gradient der Regensummen am Alpenhauptkamm. Das ist natürlich auf das gebrigsmeteorologische Phänomen des Föhns, der sich abenfalls einstellen wird, zurückzuführen. Einstellen tut er sich am Samstag ...


Noch stärker wird er aber am zentralen Alpenhauptkamm am Sonntag blasen ...
  



Aus den vielen Gesichtern, die der Föhn hat, wird er sich diesmal das recht seltene, aber klassische Gesicht des *deep Föhn* mit Starkniederschlag im Luv aufsetzen.

Wie direkt sich das alles auf die Wasserführung der Flüsse in den südlichen Ostalpen auswirken wird, wage ich nicht bekanntzugeben, bin ja Meteorologe, kein Hydrologe, schon aber rein aus der Vorgeschichte und der Prognose heraus, ist es ein leichtes zu sagen, dass das alles zusammen nicht gut ist...

Zusammenfassung:

Samstag: Aufkommender Föhnsturm in den Zentralalpen, einsetzender Regen im Süden der Tauern

Sonntag: Föhnsturm in den Zentralpen, sehr windig auch in den Nordlapen und im Flachland, gewittrig durchsetzter Starkregen im Süden der Tauern, Schneefallgrenze durchwegs oberhalb 2000m, mit Ausnahme des Westens.

Montag: Unsicherheit, wie lange die Regenfälle andauern, nur geringfügige Abkühlung in der Höhe.


Ich denke aber, dass die potentiell betroffenen leute und v.a die Behörden nun schon recht sensibilisiert auf das, was da kommen könnte oder wird, sind.


Jedenfalls, auch auf längere Sicht scheint uns die Großwetterlage mit Trogvorstößen über dem Ostatlantik und der Pendelbewegung der Zuführung warmer Luft aus Südwesten zu den Alpen, erhalten zu bleiben. So sieht kein Winterwetter aus, nein, nein, .. es ist ja auch erst Herbst.


Lg

Manfred