Hallo,
der heutige Eintrag bringt mich und die Leserschaft wieder einmal ganz nah ans aktuelle Wettergeschehen und auf ein AHA Erlebnis meinerseits. Zu Hause (nun, das ist relativ) bereitet man sich dieser Tage auf die zumindest ganz zäh anlaufende Saison der Atlantischen Sturm- und Orkantiefs vor. Zur Sprache kamen dabei Analysen und Prognosen des Wasserdampfgehaltes der oberen Atmosphäre... warum, dazu etwas später mehr.
Anders als man zunächst vermuten möchte, machen sich Meteorologen (insbesondere solche, die dem so genannanten IPV thinking nicht allzu abgeneigt sind) dabei auf die Suche nach besonders trockenen Gebieten, nicht nach besonders feuchten. Als ein so ein halber IPV Thinker hab ich mich mal an Karten versucht, die beides *highlighten*, also besonders trockene UND beonders feuchte Zonen. Gelandet bin ich nach einigem hin und her bei folgender Darstellung:
Wir sehen eine Vorhersage der relativen Feuchte für Europa und den Nordatlantik für den nächsten Dienstag auf dem 500 hPa Niveau (ca 5000-6000m Höhe). Extrem trockene Gebiete sind in ROT gehalten (RF kleiner als 10%), feuchte Gebiete in grau und weiß (100%). Zeigen sich die hochreichenden Bewölkungsgirlanden der Frontenzüge erwartungsgemäß in weiß, so zeigt sich als interessantes Detail, dass diese Fronten von Girlanden, geformt aus extrem trockener Luf,t umgarnt sind. An der rückwärten Flanke z.B der Front , die am Dienstag auf Westeuropa übergreift, befinden sich extrem trockene und sehr feuchte Luft sogar auf engstem Raume nebeneinander.
Das ganze funktioniert nicht nur für die Vorhersage, sondern auch für die aktuelle Analyse, z.B vom Satelliten aus:
Durch die Kombination mehrerer Kanäle des Meteosat9 zeigen sich diese frontrückwärtigen trockenen Zungen ebenfalls in Rottönen.
Das funktioniert auch anderswo auf der Welt, und vielleicht sogar noch besser:
Die aktuelle Situation über Australien zeigt eine beinahe künstlerisch wertvolle Anordnung von Feuchtezonen und umgarnenden trockenen Schlieren, über dem Süden sogar in mehrfachen Doppelstrukturen.
Die trockene Schlange in 500 hPa über Südostaustralien steht mit einem scharfen Höhentrog in Verbindung, der Auslöser der trockene Zunge ist das Eindringen von Stratosphärenluft im Bereich einer Tropopausenfaltung an der Periferie des Troges, ich kann mich entsinnen, das schon einmal erwähnt zu haben.
Im Bereich dieser Tropopausenfaltung hat man auf engem Raum feuchte und trockene Luft nebeneinander, was, ohne hier die Theorie zu sehr zu strapazieren, zu Querzirkulation und damit zu Zyklogenese führen kann, wenn eine Front in der Nähe ist (man sieht die Verantwortung der trockenen Schlieren für Bombings mitten auf dem winterlichen Atlantik immer wieder, nur gerade nicht jetzt eben).
Zwar ist was Wetter unter diesem Trog *mies*, wie ich aus der heutigen Erfahrung persönlich bestätigen kann, aber nicht *besonders*. Besonders war es hingegen gestern und heute weiter im Nordosten, an der Grenze zwischen Queensland und New South Wales.
- Großhagel
- Überschwemmungen
- Orkanböen
- Tornados
kurzum, eine Reihe von Superzellen hat eine Spur der Verwüstung über das sonstige Urlauberparadies gezogen. Was sagen uns die angesprochenen Feuchtekarten von dort ?
In tiefen Schichten:
Das Gebiet der Superzellen findet man, wenn man auf der Legende links auf ca. 40% geht und dann nach rechts bis zur Küste geht. Man sieht die typischen hohen Feuchtewerte, wie man es an der subtropischen Küste in ca. 1500m Höhe erwarten würde.
Geht man nach oben, z.B auf 5600m:
so springt ins Auge, dass genau diese feuchte tiefe Schicht von einer sehr trockenen in der oberen Atmosphäre überlagert ist.
Worauf will der hinaus ? mag sich jetzt der geneigte Leser und die noch geneigtere Leserin fragen. Nun, feuchte und trockene Luft verhalten sich doch deutlich anders, wenn sie gehoben werden. Erstens hat bei gleicher Temperatur und gleichem Druck feuchte Luft eine geringere Dichte als trockene. Bei der Expansion (Aufsteigen) kühlt sich feuchte Luft auch weniger schnell ab, als trockene. Zusammenfassend, hat man es bei so einer Schichtung mit einer Dose Cola (von mir aus auch Coke Zero) zu tun, die geschüttelt wird.. Bricht der Deckel (Inversion), steigt die feuchte Luft innerhalb der überlagernden trockenen vergleichsweise viel schneller auf, als dies bei neutralem Feuchteprofil geschehen würde, Gewittertürme schießen innerhalb von Minuten in den sonst stahlblauen Himmel auf. Wir kennen diese Situation aus dem amerikanischen Mittelwesten nur zu gut...
Addiere dazu noch die kräftige Scherung...
. hier auf die Schnelle als Unterschied zwischen Wind in 10m und auf Jetstreamniveau visualisiert und man hat das perfekte Rezept für Superzellen.
Auf dem Satellitenbild:
.. die (sorry für den starken Zoomfaktor) die Entwicklung von zahlreichen Superzellen um und südlich von Brisbane, von denen mindestens 2 Tornados produziert haben, aber auch abseits der Tornados zahlreiche Schäden angerichtet haben ...
Das heißt:
Im Winter: Trockene Zungen im Nahbereich von Fronten weisen uns auf die Möglichkeit rascher Wellenbildung und rapider Zyklogenese hin, vor allem, wenn zusätzliche Kurzwellentröge (*Bemmerln* in der Höhenströmung) im Nahbereich vorhanden sind. Die Theorie dahinter ist nicht 100% straight forward, weswegen man zur Beschreibung eher beim konzeptionellen Modell bleibt, ansatt wirklich das *Warum* zu erklären*
Im Sommer:
Feuchteprofil mit Augenmerk auf trockene Höhenluft durchsuchend: Abschätzung der Konvektionsverstärkung, wenn man das konzeptionelle Modelle *Ich schüttle eine Cola Dose* zur Vorhersage verwendet.
Lg
Manfred
Hi Manfred,
AntwortenLöschenwas noch zu erwähnen ist der Name dieser Prozess als "Potenzielle Instabilität".
Sehr schöne Bilder, so etwas werden wir wohl bis nächster Sommer nicht mehr sehen und auch dann mit geringe Wahrscheinlichkeit wenn so inaktiv wird wie der Sommer dieses Jahr. Die Photos hast du selbst gemacht?
Grüße,
Robert
Hallo Manfred!
AntwortenLöschenDer Dichteunterschied zwischen trockener und feuchter Luft ist allerdings so minimal (selbst bei tropischem Temperaturniveau nur in der Größenordnung von 1-2%), dass sein Einfluss auf die Aufwindgeschwindigkeit von Gewitterwolken vernachlässigbar ist - das wird hundertmal überkompensiert, weil das "Entrainment" (der Einbezug von Umgebungsluft durch Turbulenz) bei trockener Umgebungsluft den Aufwind viel stärker schwächt als bei feuchter Umgebungsluft.
Dass solche trockenen Einschübe in den mittleren und höheren Luftschichten besonders gerne heftige Gewitter hervorbringen, liegt also ausschließlich an der sie begleitenden Dynamik, die ohne das "Warum" nicht mehr erklärbar ist. Da diese trockenen Schlieren stets auch mit Vorticity-Anomalien verbunden sind, zwingen sie die Luft an ihrer Vorderseite zum Aufsteigen. Bei der erzwungenen Hebung einer Luftsäule wird durch die von Robert erwähnte Umsetzung von "potenzieller Instabilität" (= unten feucht, oben trocken) CAPE erhöht und CIN verringert. Es wird also über die Dynamik *indirekt* die Basis für eine leichtere Auslösung und größere Heftigkeit von Gewittern gelegt. Die trockene Umgebungsluft alleine bringt gar nichts, so lange nicht auch die Dynamik reinhaut, wie man ja auch regelmäßig in Hochdruckgebieten sieht. ;)
viele Grüße,
Georg
PS: Sehr hübsche Feuchte-Visualisierung!
Echt tolle Bilder, und echt Krass wie man der Natur fast hilflos ausgeliefert ist.
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