Sonntag, 23. Juni 2013

2013 - Juni der Extreme

Hallo,

Kommt Zeit kommt Blog.... Viel hat sich in den letzten 7 Tagen beim Wetter in der Alpenrepublik getan - und möglicherweise wird sich auch weiterhin viel tun .... um das ordnen genehmigt sich der Autor dieser Zeilen eine klassische 3-Teilung des heutigen Eintrages. Beginnen wir mit dem Donnerschtag.

Heiß wars. So heiß, dass uns ein neuer Allzeitrekord der Junitemperatur serviert wurde, denn noch nie zuvor hat eine (offizielle) Wetterstation im Juni mehr als 37,7°C gemessen. An besagtem 20.6.2013 waren es in Waidhofen an der Ybbs 38.6°.

Natürlich ist das besonders. Noch *besonderer* war, und da kommt mein Faible für das Detail zum Tragen *wie die zu Stande gekommen sind. Schauen wir uns die 10 Minütigen Messungen dieser Station an:


Da sieht man erst einmal dass sich bis 14Z (16 Uhr Lokalzeit) überhaupt nichts rekordmäßiges tut. Die Temperatur stagniert auf hohem Niveau und eine Maximaltemperatur von bislang 36.7° ist nicht so überragend besonders.

Spannend wird es ab 14:10Z. Binnen 10 Minuten steigt die Temperatur um 1.5°, der Taupunkt fällt um fast 6 Grad. Binnen der nächsten 20 Minuten steigt die Temperatur um weitere 1.2 Grad, stagniert um die 38° und setzt zwischen 16:50 und 17:00 zur richtigen Spitze von 38.6 an.

Sieht man auf die Windrichtung, behält man den Taupunkt im Kopf ist der Schluss glasklar, dass hier der Mostviertelföhn sein Werk vollbracht hat.


Sehen wir uns die regionale Verteilung der Spitzen des Tages an:


Man sieht dass die höchsten Werte (mehr als 36 Grad) durchaus systematisch in einem Streifen von St. Plöten äh Pölten über Waidhofen bis Weyer verzeichnet wurden. Das ist ein ganz klassicher Fingerabdruck des Föhns dieser Region. Unföhnig und damit unspektakulär schneiden das Wiener Becken und der Neusiedlersee ab.

Zu lesen war, dass beispielsweise in Wien und Umgebung zu starker Wind die absoluten Spitzen verhindert haben.... das ist so nicht ganz korrekt. Schauen wir auf die Energieverteilung um 17 Uhr, der heißesten Stunde des Tages. Hierzu inkludieren wir der Temperatur auch die latente Energie, also die Feuchte:


Der Energiekaiser ist zu dem Zeitpunkt die Mariahilferstrasse in Wien ( ;) ) mit einer Äquipot von 83°C, während die zuvor genannten heißesten Föhnstationen *nur* im Bereich von 63 bis 65 liegen.

Das lässt nur den Schluß zu, dass im Flachland fehlende Durchmischung der untersten (extrem feuchten) Schichten Schlimmeres verhindert hat, nicht der kräftige Wind, denn der trägt zur Durchmischung bei. Erst die Beschleunigung der Strömung und das erzwungene Absteigen der Luft (bis zu 4000m weit muss sie herunter gekommen sein) stromab der Alpen und des Wienerwaldes war ausreichend, die feuchte *Suppn* zu erodieren und der trockenen, heißen Höhenluft zum Stellldichein zu verhelfen. Eine sehr regionale Geschichte und daher - von der Größe der betroffenen Regionen - dann schon ein anderes , kleineres Kaliber als die Werte an Tagen innert markanter Hitzeperioden, wie z.B im August 1992 oder August 2003, wo ganz Kontinentaleuropa mehr oder weniger in gleichem Maße gestöhnt hat.


Gehen wir weiter. Em Ende einer Hitzwelle folgen für gewöhnlich Gewitter. Zwar wurde Deutschland am Donnerstag über weite Strecken regelrecht zerlegt, im Land der Berge ist aber so gut wie nix passiert... nicht viel am Donnerstag, nicht am Freitag.

Zerlegt wurden Landstriche erst gestern, Samstag, was erst einmal verwunderlich ist, da das Temperaturniveau ja schon um 8 Grad tiefer als am Donnerstag war.


Präliminar muss man sag, dass sich große Hitze auch nur dann aufbauen kann, wenn ein starker Deckel konvektive Umlagerungen verhindert. Ein starker Deckel verhindert auch das Gros der Konvektion (..wobei man sagen muss, dass, wenn an Tagen mit starkem Deckel eine Zelle es doch schafft, diesen zu durchbrechen... geht es i.d.R. mehr als nur hemmungslos zu..)

Kühlt es in der Höhe hab, geht zwar die verfügbare konvektive potentielle Energie (CAPE) zurück, aber eben auch der Deckel verschwindet. Und so kommt man trotz Energieverlust viel leichter zu Gewittern als an Tagen mit dröhnender Hitze.

Nun, zu den Bildern und zum Setup.

Der Modellaufsteig von Wien ... gestern Nachmittag:


.. zeigt einen sehr starken vertikalen Temperaturabfall, der zu MLCAPE bis 1400J/kg führt, dazu gibt es tendenziell höllische Scherungswerte, da in 400 hPa schon 55 kt aus Südwest wehen....


ein weiteres Beispiel.... im schönen Hartberg.. selbe Zeit:


MLCAPE bis 1700, an die 40 kt Scherung zwischen Boden und 400 hPa. Das sind beides Soundings, die die Entwicklung von Superzellen stark befürworten ....
 und sie kamen...


Eine Oststeirerin...


.. die zu einer Burgenländerin mutierte...



und ein Regionalexpress Mödling-Neusiedl am See, hier nahe Bahnhof Rannersdorf:


Kritiker mögen meinen, das seien zwar *Super Zellen* aber aufgrund der Form keine Superzellen. Dem muss ich natürlich entgegenhalten, dass man die Art der Radardaten mitberücksichtigen muss, denn es handelt sich MAX Daten, die das Maximum einer Säule darstellen. In den einzelnen Schichten, v.a. bodennah, konnte man allen 3 Zellen schöne Haken nachweisen.

Wie ich gehört /gelesen habe, gibt es Fotografien von Funneln, zahlreiche Großhagelmeldungen und Sturmschäden, bei denen es zumindest per se nicht ausgeschlossen ist, dass es auch tornadische Aktivität, v.a im Bereich der Steirerin und Burgenländerin gab. Hierzu verweise ich auf Skywarn Austria bzw. Stormhunters Austria, auf beiden Seiten ist so einiges Material zu gestern zu finden.



Hier noch die Geschichte im Sat/Radar/Blitzloop von Freitag bis heute:










Nun, wir gehen in die Zukunft.... 2 Extreme nach dem extremen Hochwasser Anfang des Monats habe ich nun schon erwähnt... bleibt der unruhige Blick auf die Niederschlagssituation der kommenden Tage.

Die derzeitige Situation sieht noch harmlos aus:


Eine weitere Kaltfront greift vom U.K kommend auf die Alpen über. Gefährlich ist der Trog dahinter, der mit seiner Achse über Frankreich liegt und, glaubt man dem ECMWF seinen Schwerpunkt unter Abschnürung allmählich in den nördlichen Mittelmeerraum verlagert. Frequent-Blogleser wissen vielleicht schon, worauf das hinausläuft: Die Front beinnt zu verwellen und ein eigenstädniges Tief formiert sich südlich der Alpen, das dann an der Vorderseite des Troges östlich der Alpen nach Nordosten abzieht.

Was ist die Folge ?

Wiederum viel Regen...

im EZ v.a von heute Nacht bis morgen Mittag sowie von Montag Abend bis Dienstag Abend..


Das Lokalmodell RACE, von EZ angetrieben, schlägt demnach in die selbe Bresche, inklusive der lokalmodellinhärenten Übertreibung:


wobei ... und das ist noch das *GUTE* bis jetzt, das GFS von einer Tiefbildung über dem nördlichen Adriaraum nichts wissen will und somit die Niederschlagsmengen in diesem Modell unkritisch für die Alpennordseite bleiben.



womit man sich als Meteorologe auch auf diese verhältnismäßig kurze Zeitspanne ( 75 Stunden ..) als jemand wiederfindet der zwischen den Stühlen sitzt. Und ja, auch in Zeiten immer besserer Modellperformanz findet man wie in diesem Fall auf der kleinen Skala immer noch genügend Fälle krasser Diskrepanz der Vorhersagen.


In diesem Sinne, wollen wir hoffen, dass uns ein Hochwasser Top-Up erspart bleibt .. schönen Sonntag nach und LG


Manfred

Dienstag, 4. Juni 2013

Meteorologische Rekapitulation des "Jahrhundert"hochwassers

Hallo,

Die richtige Einleitung zu finden ist manchmal schwierig, angesichts des schon jetzt unfaßbaren Ausmasses der Schäden in Zentraleuropa durch das aktuelle *Jahrhundert*hochwasser. Dennoch muss es möglich sein, auch diese Zustände sachlich-nüchtern, aus meteorologischer Sicht zu beschreiben. Die Tatsache, dass dies nun das 8. große Hochwasser ist

(1991, 1997, 1999, 2002, 2005, 2007, 2009, 2013) an das ich mich dezidiert erinnern kann, zeigt primär einmal auf, dass ich älter werde, andererseits aber auch auf eine fundierte persönliche Erfahrungsbasis im Umgang mit diesen Ereignissen, sowohl analytisch, als auch prognostisch, zurückblicken kann.

2013 begann alles erst einmal mit einer sehr ungünstigen, weil nassen und kalten Vorgeschichte der letzten beiden Maiwochen. Die erste Indikation, dass etwas Großes anrollen würde, gab es mit Modellunterstützung schon sehr früh, nämlich am Samstag vor einer Woche (25.5). Gehen wir aber zum Sonntag vor einer Woche (26.5)...



Und da ist der Übeltäter, der für all das verantwortlich ist, auch schon zu sehen. Es ist das Tief nordwestlich der Britischen Inseln, das auf Südostkurs in Richtung westliches Mittelmeer ist. In seinem Kernbereich transportiert es für die Jahreszeit extrem kalte Luft weit nach Süden.




Montag... der Kern verlagert sich gen Britische Inseln, an dessen Rückseite stößt die hochreichende Kaltuft nach Süden, erkennbar an den zellularen Wolken in diesem Bereich.




Dienstag (der Kaltluftvorstoß erreicht das Mittelmeer)...





Mittwoch... ein weiterer Randtrog stößt über Frankreich nach Süden...


wo sich am Donnerstag ein eigener Höhenkern bildet. An dessen Vorderseite werden labile und warme Luftmassen weit nach Norden bis nach Polen und den Osten Deutschlands geschleudert, teils heftige Gewitter gehen dort nieder.  Allmählich beginnen diese Luftmassen aber an der Westflanke des Höhenkernes allmählich gegen die Deutschen Mittelgebirge (Osthälfte) und zunehmend gegen die Alpen zu zwirbeln. Am Ende des Donnerstags kommt es in Oberösterreich und Salzburg (im weiteren konzentriere ich mich auf die Ostalpen, da die Behandlung Deutschlands, der Schweiz und Tschechiens den Rahmen sprengen würde) nach 50 gefallenen Litern zu ersten kleineren Überschwemmungen.



Freitag ..  ständig bilden sich an der Ostflanke des Tiefs neue Okklusionsfronten, das Spiel wiederholt sich schon zum 2. Mal.....



Samstag.. eine neue Okklusion, am Vortag noch über der Ukraine drück gegen die westlichen Teile der Alpen. Die 24h Mengen in Vorarlberg überschreiten die 100mm ..


Sonntag.. mit dem Ostwärts-Zug des steuernden Höhentiefs schleift diese Okklusion nun weiter nach Osten über das Tiroler Unterland und Salzburg bis Oberösterreich und ins Mostviertel. Wiederum überschreiten in den genannten Regionen die Mengen die 100mm in 24h.

Zum Montag hin lässt das Forcing nach. Zwar greift eine neue Okklusion aus Nordosten über, jedoch bleiben die Mengen mit dieser unter 20mm.

Das Muster, das ich oben beschrieben habe, reiht sich nahtlos in zweifelhaft-berühmt-berüchtigte Serie der großen zentraleuropäischen Überschwemmungen der letzten 20 Jahre ein. Es ist immer dieses oder ein ähnliches.. Tief aus West bis Nordwest, dringt ins westliche Mittelmeer ein, sammelt Feuchte, verlagert den Kern nach Osteuropa und schwemmt die Gebirge von Norden her an seiner Rückflanke zu. Kein noch so intensives VB Tief hat ein vergleichbares Zerstörungspotential in sich.

Immerhin, weil wir Meteorologen das Muster kennen, war das was sich da vom Himmel kam hat,gut vorhersagbar. Ich habe die ersten Informationen bereits am 25.5 an Kunden gesendet, die Medien wurden am Mittwoch informiert, wo es auch Vorwarnungen gab, die Akutwarnungen wurden am Abend des Mittwochs ausgegeben und dann laufend aktualisiert. Man muss auch von einer auf diese Zeitdauer ausgezeichneten Modellunterstützung, allen voran EZ und GFS sprechen.

Was solche Informationen und Vorhersagen nach sich ziehen sollten (da es ja Stimmen gibt, die meinten, es wären zu spät Warnungen ausgesprochen worden, z.B in SBG), betrifft, da werde ich mich aus gutem Grunde meiner Wortspende enthalten.

Gerade für das Hochwasser an der Donau war das Timing der Regenschübe, nach dem, was ich von Hydrologie verstehe, ungünstig, da zum einen der Regenschwerpunkt mit der sich aufbauenden Donauwelle nach Osten zog und auch die Scheitel der Donauzubringer ungünstig ineinander liefen. Das zeigt auf, dass es neben Regeneintrag und Vorgeschichte sehr viele, wichtige und vor allem von der Natur her andere Einflussfaktoren auf die Spitzen der Wellen gibt.

Summa Summarum war das Ereignis aus meteorologischer Sicht  gut und  frühzeitig vorhersagbar, und das aus mehreren Gründen:

- Die Großwetterlage zeigte das bekannte und berüchtigte Muster, das erfüllt sein muss

- Es gab großräumige und frühzeitige Einigkeit der wesentlichen Modelle, mit Unterschieden im Wesentlichen nur im Detail (wo werden die relativen Spitzen auftreten)

- Die Lokalmodelle lagen mit akkumulierten Mengen über 300mm in den Spitzen richtig

 
...was nicht darüber hinwegtäuschen soll, das man gegen viele Dinge, die ein solches Extremereignis mit sich bringt, nichts machen kann, selbst wenn es 3 Wochen im Voraus schon prognostiziert wird. Natürlich gab es auch Unsicherheiten im Detail, z.B wie weit die extremen Regenmengen in Richtung Alpenhauptkamm voran dringen würden. Hier gab es z.B im Tiroler Oberland diesmal sehr große Unterschiede zu 2005, wo die großen Mengen bis an den Hauptkamm reichten, diesmal im Wesentlichen nur den primären Kalkalpenkamm betrafen. Solche Signaturen kristallisieren sich erst im Lauf des Ereignisses heraus.


Abschließend, aus dem Bauch heraus, ist die Häufung dieser Jahrhundertereignisse in den letzten 20 Jahren signifikant und wenn mir noch einmal jemand *blöd* kommt und den Zusammenhang mit steigenden Luft- und Wassertemperaturen ganz oder teilweise in Abrede stellt, riskiert eine Verbalattacke.

Lg

Manfred
Als Anhang diesmal die kompletten Satellitenloops der Entwicklung dieses Tiefs ..

Teil 1




Teil 2




Teil 3




Teil 4