Freitag, 13. September 2013

Luft hat ein 'Mascherl'

Hallo,

Das heutige Thema ist wieder einmal ein bisschen komplexer, aber keine Angst, wir kommen ohne eine einzige Formel aus ;)

Es geht darum, wie wichtig es generell zu wissen, wo gewisse Dinge in der Atmosphäre ihren Ursprung haben, um zu verstehen, wie unsere aussertropischen Wetterphänomene in in ihrer Natur denn so 'ticken'.


Es geht also um nachverfolgbare Eigenschaften von Luft. Luft in der Troposphäre hat meistens so um die 78% Stickstoff, 16% Sauerstoff, variable Anteile von Wasserdampf und dann noch Spurengase wie Helium etc. intus. Diese Zusammensetzung ist mehr oder weniger überall die selbe, sei es am Pol, in den Tropen oder der unteren Stratosphäre (mit Ausnahme des Ozons). Über die Zusammensetzung anhand der chemischen Elemente kann man also wenig oder nichts über die Geschichte eines Luftpaketes (das wir jetzt z.B in diesem Moment einatmen) sagen.


In früheren Zeiten, als Filteranlagen bei Fabriken etc. noch nicht so ein Thema waren, war das vielleicht manchmal anders. Z.b. hat es früher (in den 80-ern und frühen 90-ern) im Wr. 3. Bezirk und der Innenstadt nach Pril und Palmolive gerochen, so war es ein Tag mit Südostwind. Da kam die Wolke von der Henkel-Fabrik am Donaukanal herein.... Schlimmer noch in Ritzing:

War an einem heißen Sommertag beißender Verwesungsgeruch in der Luft, konnte man mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Gewittern und einem Wettersturz am Nachmittag und Abend rechnen, denn der Wind kam dann genau aus Süden, wo sich die Tierkörperverwertungsanlage Unterfrauenhaid befand.....

Solche olfaktorischen Tracer funktionierten ganz gut auf der kleinen Skala. Auf der großen Skala verschwinden auch diese (lässt man mal Fukoshima und Vulkane als zum Glück nicht permanente Emittenten von signifikanten Tracerelementen ausser Acht). Es gibt sie auch, die Tracer, die Ursprungsmarken auf der großen Skala, es sind aber solche, die sich dem Auge, dem Ohr und der Nase verschließen.

E war schon ein paar Mal Thema im Blog, dass eine Kombination aus Drehimpuls (Rotation) sowie potentieller Energie (Höhenenergie), innerer Energie ( über die Eselsbrücke Temperatur vorstellbar) sowie Stabilität (wie sehr nimmt die Temperatur der Luft mit der Höhe ab/zu) eine Eigenschaft ist, die die Luft überall hin mitnehmen möchte. Wir Meteorologen haben dazu schon vor mehreren Jahrzehnten die Größe der IPV (Isentrope potentielle Vorticity) geschaffen, in die wir all die oben genannten Dinge im Rahmen einer dicken Formel hineingepackt haben.  Idealerweise bleibt die IPV eines Luftpakets bei seinem Auf und Ab, links und rechts, Kondensieren und Verdunsten (mit Abstrichen) erhalten.

Gelingt es uns also die IPV festzustellen, können wir sagen, wo ein Teil herkommt.

Nun ist die IPV eben nicht rot oder grün, durchlässig oder opak, dh man kann sie nicht sehen. Ausrechnen kann man sie, ja, aber das wollen wir hier im Blog nicht, wir wollen etwas sehen.

Zur Hilfe kommt uns eine Eigenschaft der Atmosphäre, eine glückliche Fügung. Die sagt uns, dass hohe Werte der IPV gemeinsam mit trockener Luft vorkommen. Das macht Sinn, denn die IPV der Stratosphäre ist aufgrund ihrer großen Stabilität viel höher als die der Troposphäre. Und die Trockenheit/Feuchtigkeit der Luft, DIE kann man sehen:


Betrachtet man die mittleren Breiten, wo Hochs und Tiefs mit ihren Fronten etc dominieren, markieren die schwarzen, gelben und roten Bereiche trockene bis sehr trockene Luft, die in aller Regel nur von oben, also der Stratosphäre kommen kann.

Am ehesten sieht man das im Bereich von ausgeprägten Tiefdruckgebieten (Höhentiefs) oder direkt hinter markanten Kaltfronten. Suchern wir uns anhand der heutigen Lage ein gutes Beispiel.

Die Übersicht:


Der Atlantik bietet uns heute nicht viel, ein paar verwaschene Frontengirlanden, eine Tropische Zyklone, die aus Südwesten hereingewandert ist, westlich der Kanaren. Das System der Wahl ist der Wirbel über Zentraleuropa, ein Höhentief, mit seinem Zentrum momentan direkt über der Gemeinde

REINGERS



im oberen Waldviertel.


Schauen wir uns seine thermische und Feuchtestruktur an.

In 500 hPa (ca . 5500m) sieht man einen exemplarisch schönen Wirbel , eben mit seinem Kern über Südböhmen und dem oberen Waldviertel:


Wie es sich für ein altes Höhentief gehört, ist die Luft direkt im Zentrum am kältesten. (in diesem Fall unter -24°C).

Schauen wir weiter nach oben.... 300 hPa (etwas über 9000m)


Nach wir vor haben wir es mit einem ausnehmend schönen Wirbel zu tun, dessen Zentrum mit dem in 500 hPa von der Lage her ident ist. Doch etwas ist hier ganz anders.

Schaut man sich die Temperatur an, sieht man dass sich die kälteste Luft nun ringförmig um das Zentrum herum organisiert hat,  während über dem Zentrum (ich erinnere, Reingers im Waldviertel) nun eine warme Blase mit Werten über -46°C thront.

Dass diese Struktur kein Zufall ist, zeigt der Blick auf die relative Feuchte in 300 hPa:


Wir sehen, dass diese warme Blase über Reingers mit Werten der reltiven Feuchte um oder etwas unter 10% verknüpft ist, während sich rund herum die 50-100% tummeln.

Warm und trocken, mit ein bisschen Rechnerei kommt man drauf, dass hier über Reingers bereits Stratosphärenluft auf der 300 hPa Karte erscheint.

Die 300 hPa schneidet hier also die Tropoause. .. Nun, um hier auf die IPV zu sprechen zu kommen, diese Größe springt hier extrem auf das oben genannte an:


.. mit einem starken Ausschlag über Reingers. Die IPV ist also ein geruchsloses und auch sonst ungefährliches Mittel um Stratosphärenluft zu detektieren. In diesem Fall ist die Tropopause so tief über dem Höhentief eingsunken (bis nahe 400 hPa) dass die 300 hPa Karte eben dort schon in der Stratosphäre liegt. Manchmal schummeln sich aber aber auch auf seltsamen Wegen Blasen aus der Stratosphäre noch viel weit hinunter, mitunter bis zum Boden und sind dann via IPV als Eindringlinge erkennbar.

Deswegen und auch aus anderen Gründen sind z.B. Vertikal/Zeitschnitte für fixe Orte sinnvoll. Am Beispiel Berlin ...



kann man einen solchen Eindringling z.B am 16.9 gegen 12 Uhr zwischen 500 und 400 hPa identifizieren. Was das für die konkrete Vorhersage bedeutet, ist eine andere Geschicht und würde den Rahmen nun sprengen...
Bleibt noch der Hinweis, dass solche Grafiken wie für Berlin und auch andere Goodies via kostenfreie Registrierung




im Rahmen des Blogs dessen Leserinnen und Lesern  zugänglich sind.

Lg und schönen, frischen Freitag

Manfred


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