Hallo und guten Morgen/Nachmittag/Abend,
gestern hat sich beim Europäischen Großwetter wieder mal seit längerem eine Möglichkeit aufgetan, ein bisschen mehr an die Basis zu gehen. Nebst der Tatsache, dass es dieser Tage im Rahmen einer unendlich lange schleifenden Frontalzone so einiges an Dynamik und auch Unbill beim Wetter gibt (siehe Hochwasser in Tirol bei Kollega CLEMENS bzw. ebendeswegen auch die Nachrichten vom verunglückten Zug bei der Rhätischen Bahn in der Schweiz), gab es in der neutralen Sicht von oben, die keine Wertung kennt, sondern nur die Deutung, eine wunderschöne Struktur zu bewundern.
Es handelt sich um den Kringel über Ostfrankreich, den ich heute ein bisschen auseinander nehmen möchte.
Befände man sich in der kalten Jahreszeit (nun, ja, wenn man so aus dem Fenster sieht, kann ein Novembertag auch nicht viel übler ausfallen).. würde meinereiner und so manch andere an irgend eine heftige Zyklogenese , vielleicht nach dem klassischen Modell oder nach dem alternativen SHPK Modell denken. Manchmal und damit verlassen wir die Fährte wieder, ist der erste Eindruck aber nicht der richtige, sondern der , der über die wahren Gegebenheiten hinwegtäuscht.
Das Wasserdampfbild würde zu der einen oder anderen RapidCyclogenesis passen:
Es zeigt, wie hinter einem offensichtlich Frontalen Wolkenband, dass sich von Südostfrankreich über die Schweiz und Süddeutschland bis nach Polen erstreckt, trockene, obertroposhärische Luft in die Rückseite des Systems einwirbelt. Ein klassische Rapid Cyclogenesis wäre denkbar.
Schön und gut, es fehlt aber leider die Zyklone im Bodendruck ;-)
Zu jedem Zeitpunkt ist am Boden nur ein ganz flacher, zum Abend hin etwas stärkerer Bodentrog bzw. ein flaches Tief zu erkennen.
gehen wir ein paar Stunden zurück. Gestern 00Z
Viel Wirbelei ist nicht zu sehen, die Frontenschnellanalyse zeigt eine langgestreckte, schleifende, mehrfach wellende Front, die sich von Portugal bis ins Baltikum erstreckt. Über dem Norden Frankreichs sieht man im Bereich der Verdickung in den Wolken eine nochmalige Verschärfung der Temperaturgegensätze.
Bezieht man das Geopotential in 500 hPa zum Satellitenbild mit ein...
.. dann liegt die Hauptfront schön im einem Bereich der Drängung der Isohypsen, wie es sich gehört, und der Knubbel in Nordfrankreich vor einem kleinen, aber umso schärferen Randtrog in der Höhenströmung. Und um diesen baut sich nun in den nächsten 12 Stunden die Fake-Zyklone auf:
Wolkenmasse wird optisch im weiteren Verlauf an die Nordperiferie des Randtroges verfrachtet, es entsteht spontan eine Spiralstruktur, die aber auch dem zweiten Blick dann doch noch irgendwie physisch von der weiter östlich verlaufenden Front getrennt ist.
Dieser Prozess einer mehr optischen als dynamischen Spiralbildung im Bereich einer Front ist bekannt und hört auf den Namen *instant occlusion*
Zu meiner Unizeit wurde mir die Instant Occlusion als etwas verkauft, was man erhält, wenn optisch ein Komma (eine hochreichende , konvektive kaltluftentwicklung) in eine vor ihr ziehende Front läuft. Diese Definition passt hier ganz gut. Die langegzogene Front haben wir hinreichend beschrieben und ein Komma steht meist mit einem scharfen, kleinen Trog der Höhenströmung in Verbindung, und ein ebensolcher nähert sich der Front von hinten, also Nordwesten an.
Lokal werden dadurch die Temperaturgradienten verschärft und die Zirkulation angeheizt.
Der gezoomte Ablauf auf dem Kombinierten Radar/Blitz/Satellitenbild:
Klar trennt sich auch im Radarbild die Niederschlagssignatur der wellenden Front im Osten von der spiralierenden Form der um den Trog gewickelten Instant Occlusion über Deutschland.
Bezüglich der Wettererscheinungen kann sich das Gebilde jedenfalls sehen lassen. Die Niederschlagsmengen der letzten 36h:
Auffallend sind die großen Mengen vom Engadin bis hin zum Tiroler Alpenhauptkamm (z.B die Station in Südtirol mit 81mm). Für gewöhnlich ist das eine Region, die von gröberen Niederschlagsereignissen gerne verschont bleibt, umso stärker haben die den AHK entwässernden rechten Zuflüsse des Inns reagiert.
Der zweite Streifen vom Loibl bis Graz hat sein Werden dem gewittrig durchsetzten Südteil der Front zu verdanken. Sonst halten sich die Mengen in Grenzen, von Extrem keine Spur.
Spannend war auch das Windsignal nach Mitternacht:
So traten mit dem Durchzug der Signatur der Instant Occlusion spät Nachts, meist so zwischen 01 und 3 in der Früh im Wiener Raum doch Böen zwischen 80 und 90 km/h auf. Signifikant, doch weit weg von einer besonderen Unwetterartigkeit.
Damit hat der Blogger auch einer im Sommer besonders seltenen Instant Occlusion Ehre zukommen lassen und verabschiedet sich in den grauen restnachmittag !
LG
Manfred