ich nutze die Ruhe vor dem Sturm ( :) ) um eine kleine Nachbetrachtung auf die vergangene Wetterlage bzw. die Überraschungen, die damit regional verbunden waren, niederzuschreiben. Nicht nur allein deswegen, weil es partiell mehr geschneit hat, als man eigentlich erwarten konnte, sondern mehr deswegen, weil es dann doch, wenn man ins Detail geht den einen oder anderen AHA Effekt gibt und man vielleicht doch wieder etwas lernen kann, was man dann beim nächsten Mal, wenn eine ähnliche Situation bevorsteht, dazu nutzen kann, etwas zu antizipieren, das vielleicht nicht in den allseligmachenden Modellen so abzulesen ist.
Die Motivation:
Am Alpenostrand sind abseits bekannter Nordstaugebiete in der Nacht auf letzten Sonntag, besonders aber am Montag oberhalb von 250-350m doch für diese sonst vom Schnee eher wenig bedachte Region ansehnliche 20-35cm Schnee zusammen gekommen, sei es wie hier beim Häuserl am Roan oder im wunderschönen Würflach ;)
Aus den Modellen ... regional oder global war für den Montag nicht Hölle viel an Niederschlag abzuleiten... betrachtet man die Vorhersagen der Niederschlagsmengen von Montag 07 Uhr bis Montag 19 Uhr in EC-RACE-GFS ..
.. so springen einem wenig imposante Akkumulation von 1-4mm im Flachland... und mehr im Stau (je nach Modell) ins Auge.
Die Wahrheit sah etwas anders aus:
... nämlich: Nix im Weinviertel, wenig im Waldviertel.... gute Mengen im Stau, aber: 20mm in gut 12h in Wien. Und wer am Montag in Wien war, kann nachvollziehen, dass es eigentlich einen veritablen Schneesturm gab, nur ist im innersten Stadtgebiet bei Plusgraden nix liegen geblieben, was eben oberhalb der 250m anders ausgesehen hat. Seitennotiz: Bei Böen bis über 60 km/h fällt so gut wie kein Schnee in den Niederschlagskübel, es sei denn, der Kübel ist windgeschützt oder es ist kein Schnee mehr sondern Schneeregen oder Regen. Beides ist an der Innenstadtstation der Fall gewesen, dh. die anderen Stationen haben deutlich zu wenig Niederschlag registriert....
Die Wetterlage war an sich keine unbekannte....
.. eingebettet in eine straffe Nordströmung an der Rückseite eines markanten Troges über Osteuropa ist eine Welle mit einem warmaktiven Teil tagsüber über der Alpenrepublik und einer nachfolgenden Kaltfront an der polnisch-deutschen Grenze durchgezogen. Man sieht den Werdegang der Welle gut in den Feldern der äquivalentpotentiellen Temperatur:
.. so setzt sich um die Mittagszeit in höheren Luftschichten eindeutig die leicht wärmere Luftmasse durch bevor dann zum Abend hin mit der schleifenden Front die Werte von Nordosten her wieder sinken. So weit so gut.
Die nächste Auffälligkeit findet sich in der Verteilung der Radarreflektivitäten beim Durchzug der Front, hier als Loop von Sonntag bis Dienstag:
Das sieht zunächst nach normalem Nordstau aus. Dennoch im Detail passt da was nicht so ganz 100%ig. Man sieht, wie die Echos knapp nördlich von Wien immer wieder neu entstehen und nicht, wie man das so erwarten würde, schon aus Tschechien hereinziehen und sich im Stau verstärken. Nein, sie entstehen an einer Stelle, wo es kein besonderes orografisches Hindernis gibt, das Hebung und damit Niederschlagsbildung forcieren würde. Das passt auch zu den Niederschlagsmengen: Im Nördlichen Weinviertel ist es gänzlich trocken geblieben, erst in Wien gab es messbaren Niederschlag, und das aber gleich ordentlich.
Wie kann das sein ?
Nun, dafür sind wir ja da. Wie üblich bei solchen Warmfrontwellen, lagert in den untersten Schichten - dem Wind zum Trotz - stabile Kaltluft.
Die Werte der äquivalentpotentiellen Temperatur zeigen keinen Unterschied zwischen dem Flachgau, Ober- und Niederösterreich sowie Wien. Im Bereich so von ThetaE gleich 11 bis 12 lagert bzw. weht überall die selbe Luftmasse. Wehen ist ein gutes Stichwort, denn es war sehr windig:
Man sieht im Alpenvorland lebhaften bis kräftigen Wind aus West- bis Westsüdwest, ein Stück nördlich der Alpen tendenziell aus Nordwest. Diese Verteilung ist typisch. Das, was man im Waldviertel sieht, ist eigentlich die Windrichtung, die der Wind nehmen möchte.. Hoch im Westen, Tief im Osten, da sollte der Wind aus Nordwest wehen. Nun stellen aber auch die nicht extrem hohen NÖ Kalkalpen, die der Wind eigentlich direkt überströmen möchte, ein massives Hindernis für eine solche gedeckelte Strömung dar. (markiert durch Kreuze). Dem Weg des geringsten Widerstandes folgend wird der Wind abgelenkt und um den Alpennordostsporn herumgeführt, bis im Burgenland wieder die synoptische Windrichtung erreicht ist. Das Phänomen ist bekannt und wird unter anderem als Barrier Jet bezeichnet.
Noch sind wir nicht am Ziel, aber schon recht weit... wir gehen in einen Querschnitt von Nord nach Süd über und schauen nach Westen:
Diese Grafik schematisiert die Situation. In Blau sehen wir die Kaltluft. der Kreis mit Punkt symbolisiert, dass der Wind da drin aus dem Bild heraus uns ins Gesicht weht, aus den vorher genannten Gründen. Trotzdem, diese Kaltluftwanne sieht sich dennoch dem synoptischen Druckgradienten ausgesetzt, der den Wind ja eigentlich aus NW über die Berge führen will, was aber eben nicht so leicht geht. Als Konsequenz muss die Dicke der Kaltluftschicht in Richtung der Berge zunehmen. Darüber weht nun die wärmere Luft oberhalb dieser Grenzfläche. Bei einer Warmfront dreht der Wind mit der Höhe nach rechts, dh, zunehmend auf Nord. Dass dem wirklich so war, zeigen die Höhenkarten z.B von 1500m Höhe:
.. straffer Nordwind.
Dadurch, dass die Dicke der Kaltluft in Richtung der Berge allmählich zunimmt, beginnt auch die Hebung der Warmluftmasse schon deutlich weiter nördlich , gut 50km Luftlinie vor dem eigentlichen Hindernis, womit wir erklären können, das sich die Echos schon über Stockerau .. mitten im homöopathisch-hügeligen Flachland., bilden
Jetzt passt aber wiederum noch eine Sache nicht. 20mm in Wien während in Tulln keine Flocke gefallen ist.
Die tiefe Kaltluftschicht hat den Wienerwald mehr oder weniger laminar überströmt, dh. sie wurde beim Strömen von St. Pölten nach Wien auf halber Strecke um gut 300m gehoben. Der *Berg* aus Kaltluft, der dann als Hindernis für die darüber strömende Warmluft aus Norden agiert hat, war also lokal dort höher als westlich und östlich davon. Es ist also valide, anzunehmen, dass die Hebung dort stärker gewesen sein musste und dem entsprechend auch höhere Niederschlagsproduktion vorgeherrscht hat. Jetzt war aber das registrierte Ereignis nicht über dem zentralen Wienerwald am stärksten sondern 20km östlich, über dem Wr. Zentrum. Um das zu erklären, kann man den Wind in der unteren Atmosphäre heranziehen.
Wiederum steht der Kreis mit dem Punkt dafür, dass uns der Wind in der Warmluftschicht ins Gesicht weht (wir schauen also nach Norden). Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in den untersten 500m knapp 30-40kt Mittelwind aus West hatten.... der dafür gesorgt hat, dass das, was über dem zentralen Wienerwald maximiert produziert worden, ist, erst 20km weiter östlich die Erde erreicht hat. Man kann das also ruhig importierten Schnee nennen.
Damit das alles aber so gut funktioniert, muss einiges zusammenkommen:
A) Warmfront aus Nordwest bis Nord. Bei einer Kaltfront fehlt die stabile Schicht in der untersten Atmosphäre und den Stau gibt es nur direkt in den Alpen.
B) kräftiger Westwind unten und Nordwind darüber (siehe A)
C) Nicht zu kräftiger Westwind, damit die Kaltuftschicht beim Überströmen des Wienerwaldes nicht turbulent zerstört wird, sondern laminares Überströmen möglich ist.
In selbiger Weise wie in Wien lassen sich so oder ähnlich die weiteren Niederschlagsmaximia bis hinein ins südliche Wr. Becken (siehe Würflach :) erklären: Produktion am Punkt wo der Oberrand der Kaltluft lokal gesehen am höchsten ist, und dann Abtransport ins Flachland östlich der Berge.
LG !
Manfred
Hallo Manfred!
AntwortenLöschen20mm oder cm? ich denke cm. Gut recherchiert und nachvollziehbar. Wie das so manchmal zusammenspielt... fast wie im Lotto man merkt da steckt schon irgend wie das Wetter im Blut. Danke für die Ausführungen. AE